Lorenz KÜNSTEL, geboren am 9. August 1886 in Wien, war katholisch, verheiratet und Eisenbahner, Werkmann der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB). Das Ehepaar lebte seit 1923 in der Gemeinde Gnigl (seit 1935 ein Stadtteil von Salzburg).

Mangels Dokumenten sind keine Parteimitgliedschaften und politischen Aktivitäten unter dem Austrofaschismus bekannt. Anzunehmen ist aber, dass Lorenz KÜNSTEL wie die meisten Eisenbahner der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bis zu ihrem Verbot im Februar 1934 angehörte und Kontakte zu Aktivisten der illegalen Parteien hatte.

Gewiss ist jedenfalls, dass er unter dem NS-Regime zu der von Franz OFNER reaktivierten Widerstandsbewegung der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) zählte. KÜNSTEL wurde im Frühjahr 1941 in der »Reichsbahnwerkstätte« von Josef HAIDINGER für dessen Gruppe angeworben, zahlte bis November 1941 monatlich eine Reichsmark Mitgliedsbeitrag und erhielt zwei kommunistische Schriften zum Lesen und zur Weitergabe an Genossen.

Zu Beginn des Kriegsjahres 1942 gelang es der Gestapo mit Hilfe eines »Spitzels« (verdeckten Ermittlers), die Widerstandsnetze der Kommunisten und Sozialisten zu zerschlagen. Mindestens 79 Aktivistinnen und Aktivisten, darunter 29 Eisenbahner aus beiden Widerstandsorganisationen in Stadt und Land kamen in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zu Tode.

Der am 27. Februar 1942 von der Gestapo verhaftete Lorenz KÜNSTEL wurde vom Gefangenenhaus des Landesgerichtes Salzburg in das Zuchthaus Landsberg am Lech und von dort wieder in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes Salzburg transferiert, um hier vor Gericht gestellt zu werden. In den fünf Strafverfahren des Oberlandesgerichtes Wien, die vom 23. bis 27. November 1942 am Landesgericht Salzburg stattfanden, wurden 30 Aktivisten der illegalen KPÖ, alle Eisenbahner, wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu 212 Jahren Zuchthaus verurteilt.

In der Urteilsbegründung heißt es: […] Die Angeklagten waren sich daher zur Zeit ihrer Betätigung dieser hochverräterischen Bestrebungen bewusst und haben sich somit vorsätzlich für deren Verwirklichung eingesetzt. Ob die Angeklagten – sie bestreiten es – auch noch das weitere besondere Ziel der KPÖ gekannt haben, welches auf gewaltsame Lostrennung der Donau- und Alpengaue vom Reichsgebiet und die Wiederherstellung eines »freien und unabhängigen Österreich« gerichtet ist, kann dahingestellt bleiben.

Zwei der 30 Eisenbahner, Josef KUMHART und Karl STEINOCHER, überlebten die Terrorjahre nicht. Vier Eisenbahner, Franz BROZ, Johann BRUCKMOSER, Ignaz GRABLER und Lorenz KÜNSTEL, starben nach der Befreiung Österreichs.

Der am 24. November 1942 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilte Lorenz KÜNSTEL wurde vom Gefangenenhaus des Landesgerichtes Salzburg in das Zuchthaus Straubing transferiert und am 25. April 1945 auf dem Marsch in das KZ Dachau von US-Truppen befreit.

Lorenz KÜNSTEL, der als Schwerkranker heimkehrte, starb 59-jährig am 18. September 1945 an den Haftfolgen im Landeskrankenhaus Salzburg.

Seine Witwe Franziska hatte als Hinterbliebene im befreiten Österreich Anspruch auf Opferfürsorge und starb 65-jährig in Salzburg.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 13.07.2015 in Salzburg, Grazer Bundesstraße 32

<p>HIER WOHNTE<br />
LORENZ KÜNSTEL<br />
JG. 1886<br />
IM WIDERSTAND<br />
VERHAFTET 27.2.1942<br />
ZUCHTHAUS STRAUBING<br />
TOT AN HAFTFOLGEN<br />
18.9.1945</p>
Gedenktafel für widerständige Eisenbahner in Gnigl Remise II (23. Jänner 1952), jetzt Salzburger Hauptbahnhof
Foto: Gert Kerschbaumer

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