Dr. Karl BIACK, geboren am 12. September 1900 in Tulln, Niederösterreich, war katholisch, Mitglied der katholisch-akademischen Studentenverbindung Norica im Österreichischen Cartellverband (CV) und Verwaltungsjurist im Staatsdienst, seit 1936 Polizeikommissär der Bundespolizeidirektion Salzburg.
Dr. BIACK war mit der Niederösterreicherin Edeltraud Siber verheiratet, die in Salzburg zwei Kinder bekam: Karl-Heinz im November 1938 und Eleonore im Februar 1942.
Die Familie wohnte im gutbürgerlichen Stadtteil Parsch an der Prälat-Winkler-Straße – so benannt unter dem »Ständestaat« nach dem Domherrn und Landeshauptmann Alois Winkler.
Die Spitzen der Politik, der Polizei und Justiz, die sich während der österreichischen Diktatur durch die Verfolgung von nationalsozialistischen Terroranschlägen exponiert hatten, zählten bekanntlich zu den ersten Terroropfern des NS-Regimes.
Als im April 1938 die Sammeltransporte der Gestapo mit ihren Racheopfern in das KZ Dachau gingen, war das Köpferollen im höheren Verwaltungsdienst, der sich vornehmlich aus dem katholischen Bildungsbürgertum, aus Mitgliedern der CV-Verbindungen und der »Vaterländischen Front« rekrutiert hatte, schon beendet.
Polizeibeamte wie Dr. Karl BIACK und Dr. Max Platter und Bezirkshauptmänner wie Dr. Rudolf Hanifle und Dr. Franz SEYWALD wurden noch im März 1938 aus ihren Ämtern entfernt, mit gekürzten Bezügen »in den Ruhestand versetzt«: somit kaltgestellt und fortan observiert, da sie im Verdacht der politischen Opposition standen.
Der zwangspensionierte Polizeijurist Dr. BIACK studierte zunächst einige Semester Medizin in Innsbruck, wurde aber zu Beginn des Kriegsjahres 1943 mangels eines qualifizierten Verwaltungspersonals im Staatsdienst reaktiviert und zum Leiter des Wirtschaftsamtes der Stadt Traunstein ernannt.
Die Familie lebte jedoch weiterhin im Salzburger Stadtteil Parsch, somit in der Nachbarschaft von Familien, die miteinander befreundet waren – sechs katholische Bürgerfamilien mit 29 Mitgliedern samt Kindern, teils minderjährigen, deren Väter allesamt Akademiker waren: Dr. Karl BIACK (zwei Kinder), Dr. Rudolf Hanifle (zwei Kinder), Dr. Max Platter (drei Kinder), Dipl. Ing. Albert Schmiedinger (zwei Kinder), Dr. Franz Seywald (drei Kinder) und Dr. Josef Tinzl (fünf Kinder), ein vertrauter Kreis, der in die Fänge der Gestapo geriet und als »Abhörkreis« galt.
In den Augen der Verfolger dienten die Wohnungen Seywalds und Biacks bis ins fünfte Kriegsjahr hinein als »Zentralen des Feindfunkhörens« (im Krieg verbotenes Hören von »Feindsendern«), darüber hinaus als Orte »zersetzender Reden habsburgisch-separatistischer Prägung«. Zu Gehör kam der Gestapo durch Denunziation, dass ein in der Wohnung Dr. Seywalds kursierender politischer Witz außer Haus weitererzählt worden sei: ein in den Amtsakten schlecht wiedergegebener oder verstümmelter, mit drei Rufzeichen bestückter Witz, »der unseren Führer mit einem Kleinbauern verglich, der eine ‚fette Sau‘ (unseren Reichsmarschall) und einen ‚hatschenden Hund‘ (Reichsminister Dr. Goebbels) habe ! ! !«
Die Gestapo hatte am 20. März 1944 und an den folgenden Tagen insgesamt zwölf Personen des »Abhörkreises« verhaftet, davon eine wieder »auf freien Fuß gesetzt«.
Der Antrag auf Strafverfolgung, den die Staatspolizeistelle (Gestapo) stellte, ist nicht erhalten, gewiss ist aber, dass die polizeiliche und gerichtliche Strafverfolgung durch Denunziation zustande kam, dass die zwölf »Angeschuldigten« als »staatsfeindliche Hörer« galten und die ihnen zur Last gelegten »Rundfunkverbrechen«, das Abhören und speziell das Verbreiten von Nachrichten verbotener »Feindsender« (§§ 1, 2 der Rundfunkverordnung vom 1. September 1939) als »Vorbereitung zum Hochverrat« (§§ 80, 83 des Reichsstrafgesetzbuches) beurteilt wurden.
Daraus ist zu schließen, dass die Gestapo mit ihrem Strafantrag darauf abzielte, die Betroffenen vor den Berliner »Volksgerichtshof« zu stellen, der in kurzen Prozessen Urteile fällte: Zuchthaus- und Todesstrafen.
Dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters am Landesgericht Salzburg vom 13. April 1944 ist zu entnehmen, dass sich elf der zwölf »Angeschuldigten« in der Haftanstalt Salzburg in Untersuchungshaft befanden: Dr. Seywald (seine Ehefrau mittlerweile »auf freiem Fuß«), sein Sohn Gottfried, Dr. Tinzl und die Ehepaare Hanifle, Biack, Platter und Schmiedinger, denen nur bekannt war, dass sie wegen »Rundfunkverbrechen« und wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« angeklagt werden. Letztlich entschied der »Oberreichsanwalt«, ob ein Strafprozess gegen »Hochverräter« entweder vor dem Berliner »Volksgerichtshof« oder vor dem Oberlandesgericht Wien stattzufinden hat.
Für die Betroffenen war die Entscheidung von existenzieller Bedeutung. Sie wussten, dass die »Blutsenate« des »Volksgerichtshofs« häufig Todesurteile fällten.
Am 17. Juni 1944 stellte der Berliner »Oberreichsanwalt« den Antrag, die Hauptverhandlung gegen die zwölf »Angeschuldigten« aus Salzburg vor dem »Volksgerichtshof« anzuordnen.
Die Anklageschrift umfasste 23 Seiten. Die Betroffenen konnten aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, an welchem Ort und unter welchem Vorsitz der Prozess stattfindet. Bekannt war ihnen vermutlich, dass Senate des »Volksgerichtshofes« schon mehrmals im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg getagt hatten.
Einzigartig in der Geschichte der Salzburger Terrorjustiz ist aber der Strafprozess des 1. Senats unter dem Vorsitz des berüchtigten Präsidenten des »Volksgerichtshofes« Roland Freisler am 21. und 22. Juli 1944, knapp nach dem Attentat auf Hitler, im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg. Freislers Urteile und Begründungen »Im Namen des Deutschen Volkes!« sind erhalten, jedoch bislang nicht publiziert (die 1991 publizierte Dokumentation Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945 enthält nur die gekürzte Anklageschrift).
Roland Freislers Urteile in der Strafsache gegen elf Angeklagte aus Salzburg wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« beginnen mit der juristischen Phrase, der 1. Senat habe »Im Namen des Deutschen Volkes!« für »Recht erkannt«: Franz Seywald und Karl Biack »haben so unser Vertrauen und unsere Kraft, mannhaft für unsere Freiheit zu kämpfen, schwer angegriffen und sich damit zu Zersetzungspropagandisten unserer Kriegsfeinde gemacht. Sie sind für immer ehrlos und werden mit dem Tode bestraft.«
Freisler stellt in seiner Begründung des gefällten Todesurteils über Dr. Karl BIACK fest, dass dieser seine Straftat vor der Polizei (Gestapo) geleugnet und erst nach einem ihn belastenden Geständnis einer Mitbeschuldigten ein Geständnis abgelegt habe, jedoch nur unter der Drohung der Polizei, er komme sonst in das KZ Dachau, könne hingegen nach einem Geständnis bald aus der Haft entlassen werden.
BIACK habe jedoch sein Geständnis vor dem Untersuchungsrichter widerrufen. Für Freisler bestand kein Zweifel, dass BIACKS von der Gestapo abgepresstes Geständnis richtig gewesen sei »oder jedenfalls ihn nicht schwerer belastet, als seiner wirklichen Schuld entspricht«.
Daraus ist unschwer zu erkennen, dass für Freisler als Vorsitzenden des ersten »Blutsenats« das Todesurteil gegen den ehemaligen Polizeijuristen Dr. BIACK schon zu Beginn des Strafprozesses in Salzburg feststand. An den Verhörmethoden der Gestapo wollte Freisler keinen Zweifel aufkommen lassen. Gegen Freislers Urteil war außerdem kein Rechtsmittel zulässig.
In einem Bericht der Haftanstalt Salzburg heißt es, dass der am 22. Juli 1944 zum Tode verurteilte Dr. Franz Seywald am 24. Juli 1944 um 23 Uhr »Selbstmord durch Erhängen« verübt habe und dass die Leiche der Geheimen Staatspolizei überlassen werde, und zwar mit dem Hinweis, dass Gauleiter Dr. Gustav Adolf Scheel gegen die Freigabe der Leiche zur Bestattung durch die Angehörigen Bedenken geäußert habe.
Wegen dieser Äußerung konnten die Hinterbliebenen Dr. Seywalds, seine Ehefrau und drei Kinder, nicht ihrem Wunsche und ihrer Religion entsprechend von ihrem Toten Abschied nehmen. Bemerkenswert ist noch, dass Frau Seywald am 22. Juli und ihr 18-jähriger Sohn Gottfried am 17. Oktober 1944 freigesprochen wurden.
Aus Berichten der Haftanstalt des Landesgerichtes Salzburg geht außerdem hervor, dass dem zum Tode verurteilten Dr. Karl BIACK keine Erlaubnis erteilt wurde, dem Sonntagsgottesdienst im Hause beizuwohnen. Der Katholik und Gegner des NS-Regimes erhielt lediglich die Erlaubnis zum Lesen der Tageszeitungen (Nazipresse).
Dr. BIACK wurde am 11. September 1944, dem Vortag seines 44. Geburtstages, in Fesseln – gemäß einer Anordnung der Haftanstalt Salzburg – in das Strafgefängnis München-Stadelheim überstellt und dort am 7. November 1944 durch das Fallbeil getötet. Dr. BIACKs Hinterbliebene erhielten erst nach der Befreiung eine Kopie seines Abschiedsbriefes, den die NS-Behörden zurückbehalten hatten:
Meine herzallerliebste Trude!
Noch ganz erschüttert von dem eben vernommenen Bescheid, den ich wirklich nicht erwartet hätte, will ich meine letzten Zeilen in diesem Leben an Dich zum Abschied richten. Ich habe während meiner Haft unendlich viel gebetet, Gott hat es bestimmt, dass ich, ohne Euch nochmals gesehen zu haben, sterben muss. Ich hätte so gerne mit Euch gelebt. Ich war so glücklich mit Euch. Du, meine einzig liebste Trude und Ihr, meine herzallerliebsten Kinder, Ihr wart mir das einzig Liebste auf der Welt.
Liebste Trude, bleibe stark und erziehe meine Kinder in Gottesfurcht und mache sie zu aufrechten Menschen. Vergesst Euren Vater nicht und betet für seine Seele damit wir uns einst alle glücklich wiedersehen im Himmel. Was ich an beweglichen und unbeweglichen Gütern besitze gehört Dir und den Kindern. Gebe meinen Geschwistern ein Andenken von mir.
Mein Herz ist so schwer, ich gehe so schwer von Euch, ich habe doch nichts als meine Pflicht getan, für sie und für Euch gelebt. Ich verzeihe allen, auch jenen, die mich bei den Behörden so schlecht gemacht haben, anders kann ich es mir nicht vorstellen, dass es so gekommen ist. Ich kann es einfach nicht glauben, dass so etwas möglich ist. Meine Liebste, ich danke Dir für Deine große Liebe. Gott gebe Dir die Kraft, dieses Furchtbare zu ertragen. Gebe den Kindern jeden Abend das Kreuzerl und viele, viele Bussi auch für mich, ich werde Euch vom Himmel, in den ich bestimmt zu kommen hoffe, segnen.Nun lebt wohl meine Liebsten, meine einzig Liebsten, Du meine Liebste und ihr meine allerliebsten Kinder, die ich so von Herzen gerne habe. Mein lieber Gott, ich bringe Dir dieses schwerste Opfer meines Lebens, um ewig im Jenseits dafür glücklich zu sein. Gott gebe mir die Kraft und Stärke, damit ich aufrecht sterbe. Ich habe ein reines Gewissen, das möge Euch zum Troste gereichen!
Gott mit Euch, seid lieb, betet, betet, betet und habt immer lieb Euren, Euch von Herzen liebenden und Euch segnenden Vater und Gatten
Dr. Rudolf Hanifle und Dipl. Ing. Albert Schmiedinger, von Freisler zu je sieben Jahren Zuchthaus verurteilt, Dr. Max Platter und Dr. Josef Tinzl, die je fünf Jahre Zuchthaus erhielten, die Ehefrauen Maria Hanifle und Edeltraud Biack, die Gefängnisstrafen in der Dauer von drei respektive zwei Jahren erhielten, die Ehefrauen Barbara Platter und Margarethe Seywald und deren Sohn Gottfried, die freigesprochen und aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, überstanden die Terrorjahre und hatten im befreiten Österreich Anspruch auf Opferfürsorge.
Im März 1948 gedachte die Bundespolizeidirektion Salzburg ihrer Opfer des NS-Terrors. Seither steht der Name Dr. Karl BIACK auf einer Gedenktafel in der Polizeidirektion (damals Churfürststraße, heute Alpenstraße). Im Jahr 1977 wurde ihm posthum das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs durch den Bundespräsidenten verliehen.
Die Witwe Edeltraud BIACK, die im befreiten Österreich ebenfalls als »Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich« anerkannt wurde, starb 91-jährig 2001 in Salzburg.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg, Prozessakten des Volksgerichtshofes 1. Senat Roland Freisler (6J58/44 = 1H156/44 und 6J130/44 = 1H236/44)
Stolperstein
verlegt am 03.07.2014 in Salzburg, Prälat-Winkler-Straße 7