Angela WEIL, geborene Röderer, wurde am 19. April 1895 in Prag, damals noch Österreich-Ungarn, geboren. Sie war ein Kind des jüdischen Ehepaares Josefine, geborene Fischer, und Ignaz Röderer, Kaufmann in Prag.
Ihre Tochter Angela heiratete den ebenfalls in Prag geborenen Franz WEIL, der im 1. Weltkrieg bei den Kaiserschützen der österreichisch-ungarischen Armee gedient und an der Prager Universität studiert hatte, Doktor der Physik und Universitätslehrer in Prag war.
Lore, ihr erstes Kind, kam am 18. April 1925 in Praha (Prag), Hauptstadt der Tschechoslowakischen Republik, zur Welt und ihr Sohn Herbert am 4. Mai 1930 in der deutschen Stadt Dessau, damals Hauptstadt des Freistaates Anhalt (heute Dessau-Roßlau im Bundesland Sachsen-Anhalt).
Die Familie lebte seit Anfang der 1930er Jahre in der Stadt Dessau, in deren Nähe sich die Filmfabrik Agfa des Industriekonzerns I.G. Farben befand, wo Dr. Franz WEIL, der sich sehr für die Entwicklung der Farbfotografie interessierte, beschäftigt war. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr 1933 gerieten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, speziell Familien mit Kindern, in eine bedrückende und ungewisse Situation.
Wer diese nicht ertragen konnte und wollte, verließ alsbald das rassistische Deutschland. Verbliebene hofften noch auf Normalisierung, auch Dr. Franz WEIL, der allerdings für seine Familie zu sorgen hatte. Er blieb daher noch eine Weile in Dessau.
Seine Ehefrau Angela und ihre Kinder Lore und Herbert hingegen übersiedelten im Juni 1935 nach Österreich. Sie wohnten seither in Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1, in der ersten Etage des Salzachhofs. Auf ihrem Meldeschein ist Tschechoslowakei als Staatsangehörigkeit vermerkt, jedoch kein Religionsbekenntnis.
Bis zum Gewaltjahr 1938 gab es noch keinen Zwang, seine »Abstammung« oder »Rasse« zu deklarieren. Die Familie WEIL konnte folglich noch eine Zeit lang unbehelligt in der Stadt Salzburg leben. Angela WEIL hatte offensichtlich Kontakt zum Seelsorger der katholischen Pfarre St. Erhard im Stadtteil Nonntal, zu Dr. Karl Berg, dem späteren Erzbischof von Salzburg.
Das Mädchen Lore besuchte in Salzburg das Realgymnasium, Herbert wurde 1936 schulpflichtig, besuchte die Volksschule in Nonntal. Das Ende ihrer Zuflucht nahte aber mit dem gewaltsamen »Anschluss« Österreichs an Nazi-Deutschland im März 1938. Angela WEIL und ihre beiden noch minderjährigen Kinder verließen nach Abschluss des Schuljahres im August 1938 das nationalsozialistische Salzburg.
Sie zählten somit zu den rund 60 jüdischen Familien aus Salzburg, die bereits in den ersten Monaten der NS-Herrschaft flüchteten und daher den Pogrom im November 1938 nicht miterleben mussten.
Im Jahr 1939, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, fand die wieder vereinte Familie WEIL Zuflucht in Amsterdam, allerdings mit der Absicht, alsbald nach England zu reisen, wo schon ein Verwandter lebte. Franz WEIL machte sich in England auf die Suche nach einem Job und Quartier für die Familie, während seine Frau und ihre beiden Kinder in den Niederlanden auf eine positive Nachricht hofften.
Der von Deutschland entfachte Krieg durchkreuzte jedoch ihr Vorhaben, trennte die Familie. Angela WEIL und ihre Kinder Lore und Herbert saßen in ihrem Fluchtland fest, das außerdem seit Mai 1940 von Deutschland besetzt war.
Den unerwünschten Flüchtlingen drohte die Ausweisung oder die Internierung in dem seit 1939 bestehenden niederländischen Flüchtlingslager »Kamp Westerbork«: seit Juli 1942 als »polizeiliches Judendurchgangslager« unter deutscher Verwaltung und somit der zentrale Ort für die von der SS organisierten Todeszüge. Der Österreicher Dr. Arthur Seyß-Inquart war bekanntlich »Reichskommissar« der besetzten Niederlande und SS-Obergruppenführer: verantwortlich für den Terror und die Deportationen von über 100.000 Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager.
Noch im Kriegsjahr 1941 gelang es Angela WEIL gemeinsam mit ihren Kindern Lore und Herbert, sich der ihnen drohenden Internierung zu entziehen. Die Mutter tat alles zum Schutz ihrer Kinder und konnte diese mit Hilfe eines jüdischen Kinderhilfswerkes in Schulen einer niederländischen Provinz unterbringen. Angela WEIL sah sich nun gezwungen, sich von Lore und Herbert zu trennen und an ihre eigenes Überleben zu denken.
In den besetzten Niederlanden lief sie Gefahr, entweder ausgewiesen oder interniert zu werden. In ihrer Not bat sie den Priester Dr. Karl Berg, der ihr in Salzburg freundlich gesinnt war, um Hilfe. Der Salzburger Priester vermittelte ihr eine Stelle als Lehrerin in einer Schule der Ordensgemeinschaft der Salesianer in München.
Angela WEIL suchte Zuflucht in München. Sie wurde jedoch nach kurzem Aufenthalt von der Polizei verhaftet – die Hintergründe sind ungeklärt. Gewiss ist aber, dass die von der Polizei als Jüdin registrierte Angela WEIL seit 1. Dezember 1941 in einem »Judenlager«, das sich beim Güterbahnhof im Münchener Stadtteil Milbertshofen an der Knorrstraße befand, interniert war und von dort am 4. April 1942 in das Ghetto Piaski bei Lublin deportiert wurde.
Die 47-jährige Frau überlebte den Terror nicht. Ort und Tag ihres Todes sind aber unbekannt. Sie war entweder unter den Opfern des im November 1942 liquidierten Ghettos Piaski oder unter den Opfern der Todeszüge in die Vernichtungslager Belzec oder Sobibor.
Bekannt ist außerdem, dass Angela WEILS verwitweter Vater Ignaz Röderer (Ignac Roederer) 82-jährig am 16. Juli 1942 von Prag nach Theresienstadt, von dort am 22. Oktober 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet wurde.
Angela WEILS Kinder Lore und Herbert überstanden die Terrorjahre, allerdings nicht ohne Ängste und Bedrohungen, und reisten nach ihrer Befreiung zu ihrem Vater nach England. Die in England verheiratete Lore Bolwell konnte, ehe sie im August 2012 starb, noch gemeinsam mit ihrem Sohn Peter ihre bedrängende Lebensgeschichte aufzeichnen: Lore’s Tale. The Story of a Holocaust Surviver.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg
- Stadtarchiv München
- Narodni Archiv Praha
- Angela Weils Enkel Peter F. Bolwell (Fotos)
Stolperstein
verlegt am 22.07.2010 in Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1