Josef WEGSCHEIDER, am 28. September 1897 in Pobersach bei Villach geboren, von Beruf Schuhmacher, und seine Ehefrau Anna, geborene Hochgründler, am 24. September 1904 in Zell bei Kufstein geboren, hatten zwei in Salzburg geborene Töchter, Gertrude und Elisabeth.
Die nach österreichischem Recht in der Stadt Salzburg heimatberechtigte Familie wohnte im Haus des Ehepaares MITTENDORFER in Itzling-Ost, Landstraße 15.
Die Ehepaare WEGSCHEIDER und MITTENDORFER waren Mitglieder der christlichen Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas, die unter dem NS-Regime wegen Verweigerung des Hitler-Grußes und Fahneneides, des Wehr- und Kriegsdienstes sowie jeglicher Rüstungsarbeit verfolgt wurden.
Bekannt ist, dass Josef WEGSCHEIDER bereits im Oktober 1938 wegen Verweigerung des Wehrdienstes zu acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde und bis Mai 1939 im Wehrmachtsgefängnis Germersheim am Rhein inhaftiert war.
Als er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zur Deutschen Wehrmacht in Salzburg einberufen wurde und den Kriegsdienst verweigerte, wurde er gemeinsam mit Johann PICHLER, ebenfalls Zeuge Jehovas, vom Kriegsgericht des Wehrkreises XVIII in Salzburg gemäß »§ 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung« zum Tode verurteilt, am 26. September 1939 auf dem Militärschießstand in Glanegg bei Salzburg erschossen und am 28. September, am Tag seines 42. Geburtstages, unter reger Anteilnahme seiner Glaubensfamilie auf dem Salzburger Kommunalfriedhof beerdigt.
Kriegsjustiz und Gestapo wussten fortan die Ehrung von Terroropfern durch Hinterbliebene im öffentlichen Raum zu verhindern (keine Freigabe der Leichname an Hinterbliebene, sondern anonyme Bestattung von Amts wegen oder Verwertung der Leichen in anatomischen Instituten).
Anna WEGSCHEIDER wurde nach der Beerdigung ihres hingerichteten Ehemannes von der Gestapo verhaftet und am 28. Dezember 1939 gemeinsam mit weiteren Zeuginnen Jehovas vom Polizeigefängnis in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert.
Ihre beiden noch minderjährigen Töchter Trudi und Elsie, die bei Pflegeeltern in Hallein lebten, erhielten einige Male Post von ihrer Mutter als KZ-Häftling Nr. 2582 in der verordneten Knappheit:
Meine Lieben! Brief und Geld am 3. VIII. mit Dank erhalten.
Elsiemaus wünsche ich das Beste zu ihrem 3. Geburtstag.
August 1940Liebe Trudi! Wünsche zu Deinem 11. Geburtstag.
Bussi an Euch alle Mamma.
Oktober 1940
Anna WEGSCHEIDER, die im KZ Ravensbrück Rüstungsarbeit verrichten sollte, diese aber offensichtlich verweigerte, zählte zu den Häftlingen, die im Zuge der »Sonderbehandlung 14f13«1 in der Tötungsanstalt Bernburg an der Saale vergast wurden.
Der 8. Juni 1942 gilt als offizieller Todestag der 37-jährigen Zeugin Jehovas.
Nach der Befreiung Österreichs hatten die beiden Waisenkinder Gertrude und Elisabeth als Hinterbliebene Anspruch auf Opferfürsorge, da ihre Eltern als politische Opfer anerkannt wurden.
Gemäß Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen in Wien vom 6. August 2007 gilt das Urteil des Kriegsgerichtes Salzburg vom September 1939 gegen Johann PICHLER und Josef WEGSCHEIDER »als nicht erfolgt«.
Mittlerweile sind alle acht Zeugen Jehovas aus dem Bundesland Salzburg, die aus religiösen Motiven den Kriegsdienst verweigerten und dafür zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, rehabilitiert – nicht zuletzt dank der Initiative ihrer seit 2009 in Österreich staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft.
Bemerkenswert ist noch, dass das Militärkommando Salzburg auf Anregung der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die Patin des »Stolpersteins« für den Kriegsdienstverweigerer Johann PICHLER ist, am 30. September 2011 in Glanegg bei Salzburg einen Gedenkstein für die Opfer des NS-Terrors, für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aufstellen ließ.
1 »Sonderbehandlung 14f13«: »14« = Inspekteur der Konzentrationslager, »f« = Todesfälle, »13« = Vergasung in Tötungsanstalten der »T4«-Organisation. In der »T4«-Tötungsanstalt Bernburg an der Saale wurden auch die Jüdin Josefine SCHNEIDER und der Jude Hermann RUBENKES vergast, die in Salzburg wegen ihrer kommunistischen Aktivitäten verfolgt worden waren.
»T4«: benannt nach der »Euthanasie«-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4.
Quellen
- Archive der Diözese Gurk und Erzdiözese Salzburg (Tauf- und Trauungsmatriken)
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg (Melderegister, Heimatmatrik, Opferfürsorgeakten)
- Kriegsgericht des Kommandeurs der Ersatztruppen Wehrkreis XVIII Salzburg (Meldung an Wehrmachtsauskunftsstelle)
- Archiv der Zeugen:innen Jehovas (Fotos, Briefe)
Stolperstein
verlegt am 22.08.2007 in Salzburg, Landstraße 15