Eduard STEINDLER, geboren am 21. April 1892 in Bürmoos, Land Salzburg, war das jüngere Kind des jüdischen Ehepaares Paula und Julius STEINDLER, Kaufleute in Bürmoos.
Ihre Tochter Josefine kam ebenfalls in Bürmoos zur Welt. Josefines und Eduards Mutter Paula STEINDLER war eine Tochter des Ehepaares Henriette, geborene Glaser, und Eduard Hahn, somit eine Nichte des Glasfabrikanten Ignaz Glaser in Bürmoos.
Paula STEINDLERS Brüder Adolf und Max Hahn waren leitende Angestellte der Glasfabrik in Bürmoos, die Alois Kupfer und sein Schwiegersohn Ignaz Glaser, ein Bruder Henriette Hahns, gegründet hatten.
Die von Henriette Hahns jüngerem Sohn Max geleitete Betriebsstätte Emmyhütte in Hackenbuch bei Moosdorf war nach ihrer Miteigentümerin Emma Glaser, der Ehefrau Ignaz Glasers benannt.
Sie war eine Tochter der Glasfabrikantenfamilie Kupfer aus Frankenreuth in Bayern. Am 18. August 1889 wurde in Bürmoos Emma und Ignaz Glasers Sohn Hermann geboren.
Die Familie Glaser lebte seit 1894 in der Landeshauptstadt Salzburg und war hier nach altösterreichischem Recht heimatberechtigt. Ignaz Glaser war an der Errichtung des jüdischen Friedhofs und der Synagoge maßgeblich beteiligt, außerdem Gründungsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und in ihrem Vorstand tätig.
Das Grab des Ehepaares Ignaz und Emma Glaser befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg-Aigen.1
Ihr Sohn Dr. Hermann Glaser war Jurist, Mitglied des Kultusrates der jüdischen Gemeinde in Salzburg und seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1916 Leiter und Miteigentümer der einst florierenden Glasfabrik in Bürmoos und Hackenbuch, die mittlerweile technisch veraltet war und mit dem Ende der Monarchie Österreich-Ungarn ihren großen Absatzmarkt verlor, schließlich im Jahr 1926 in Konkurs ging.
Die jüdischen Familien, die in den Landgemeinden, aber auch in der Stadt Salzburg keine Zukunft für sich sahen, mussten von hier fortziehen.
Die Familiennamen der vernetzten Fabrikantendynastie aus Böhmen, Bayern und Salzburg sind noch geläufig.
Kaum bekannt hingegen sind die Lebenswege der Nachkommen des Ehepaares Henriette, geborene Glaser, und Eduard Hahn, die Schicksalsverläufe der drei Familien Klara und Adolf Hahn, Margarethe und Max Hahn, Paula und Julius STEINDLER, ihrer in den Landgemeinden Bürmoos und Hackenbuch geborenen acht Kinder, die in der Stadt Salzburg eine weiterführende Schule besucht oder einen Beruf erlernt hatten. Sieben der acht Kinder überlebten die Shoah nicht. Mit ihren Eltern sind es zehn Shoah-Opfer.
Die Familie Klara und Adolf Hahn, die bis zum Konkurs der Glasfabrik im Jahr 1926 in Bürmoos wohnte, verließ Österreich, lebte hernach in die Tschechoslowakei.
Unter dem NS-Regime wurde das Ehepaar nach Theresienstadt deportiert, Adolf Hahn 79-jährig in Theresienstadt ermordet, seine Ehefrau Klara, geborene Kupfer, 65-jährig nach Treblinka transferiert und ermordet.
Zwei ihrer drei Kinder, der am 22. November 1901 in Bürmoos geborene Sohn Eduard und der am 11. November 1912 in Bürmoos geborene Sohn Heinrich wurden in Auschwitz ermordet.
Ihr Bruder Alois, geboren am 17. Jänner 1907 in Bürmoos, überstand die Terrorjahre, wie aus der Datenbank Yad Vashem hervorgeht.
Der nach Kanada emigrierte Alois Hahn schrieb Gedenkblätter für seine Eltern und Brüder.
Die Familie Margarethe und Max Hahn, Direktor der Emmyhütte in Hackenbuch bis zum Konkurs der Glasfabrik, lebte hernach in der Stadt Salzburg und emigrierte im Jahr 1929 in die Tschechoslowakei.
Max Hahn starb noch vor den Deportationen unter dem NS-Regime im »Protektorat Böhmen und Mähren«.
Die 49-jährige Witwe Margarethe, geborene Weinmann, und ihre drei Kinder, ihr am 30. September 1911 in Hackenbuch geborener Sohn Fritz, ihr am 2. Februar 1919 in Hackenbuch geborener Sohn Ernst und ihre am 16. August 1924 in Hackenbuch geborene Tochter Ilse wurden in Lublin-Majdanek ermordet.
Im Dezember 1928 übersiedelte das Ehepaar Paula und Julius STEINDLER, deren Kinder Josefine und Eduard längst erwachsen und auch verheiratet waren, von der Landgemeinde Bürmoos in die Bundeshauptstadt Wien, 8. Bezirk, Schlösselgasse 24/8. Paula STEINDLER, Adolf und Max Hahns Schwester, starb 64-jährig am 13. Juni 1931 und ihr Ehemann 71-jährig am 21. Dezember 1931.
Ihr Grab befindet sich in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.
Ihre am 16. Februar 1891 in Bürmoos geborene Tochter Josefine lebte seit ihrer Heirat mit dem Kaufmann Julius Stagel in Wien. Ihr am 15. Dezember 1912 geborener Sohn Paul, registriert in der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, heiratete im Dezember 1938, demnach unter dem NS-Regime, die Jüdin Fritzi Austerlitz.
Das Paar wohnte bei Fritzis Mutter im 1. Bezirk. Pauls Eltern, die unter dem NS-Regime ihre Wohnung im 20. Bezirk verlassen mussten, wohnten zuletzt im 2. Bezirk, Josefinengasse 1, in einem »Judenhaus«, dessen Parteien zur Deportation bestimmt waren.
Am 20. August 1942 wurde Fritzis verwitwete Mutter Stella Austerlitz als erste ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert.
Am 9. Dezember 1942 ging vom Wiener Aspang-Bahnhof der Transport Nr. 45, Zug Da 525, mit 1.324 Jüdinnen und Juden, darunter Josefine und Julius, Fritzi und Paul Stagel, in das Konzentrationslager Theresienstadt. Am 4. März 1944 kam dort die 53-jährige Josefine Stagel, Pauls Mutter, Eduard STEINDLERS Schwester, zu Tode.
Am 16. April 1944 wurde Fritzi Stagels Mutter Stella Austerlitz 58-jährig von Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau deportiert, vermutlich gleich beim Zugang vergast.
Am 6. Oktober 1944 wurden der 66-jährige Julius Stagel und seine 28-jährige Schwiegertochter Fritzi nach Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich ebenfalls gleich ermordet (ihr Zugang und Tod ist wie bei vielen Jüdinnen und Juden in Auschwitz-Birkenau nicht registriert).
Gewiss ist aber, dass Josefine und Julius Stagels Sohn Paul als einziger seiner Familie überlebte – sein Name steht auf Schindlers Liste II, Nr. 781. Paul Stagel, Enkel des 1931 in Wien verstorbenen Ehepaares Paula und Julius STEINDLER, kehrte allein nach Wien zurück, starb hier am 26. Juli 1987, bestattet in der israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs.
Paula und Julius STEINDLERS Sohn Eduard heiratete im Jahr 1923 in der Salzburger Synagoge die am 21. Februar 1902 in Salzburg geborene Else Weinstein, Tochter des Ehepaares Rosa, geborene Wasserzug2, und Rudolf Weinstein, die mit ihren Kindern Else, Viktor und Walter nach altösterreichischem Recht in Salzburg heimatberechtigt waren, ihre Wohnung und Spezereiwarenhandlung im Andräviertel, in dem von jüdischen Familien bevorzugten Stadtteil unweit der Synagoge hatten.
Rudolf Weinstein war auch Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg.
Rosa und Rudolf Weinsteins Tochter Else STEINDLER bekam am 17. April 1924 in Salzburg einen Sohn, Ernst, der mit seinen Eltern vorübergehend in Bürmoos, schließlich wieder in der Stadt Salzburg lebte und hier bis zum Gewaltjahr 1938 die Realschule besuchte.
Aus unbekannten Gründen trennten sich seine Eltern Else und Eduard STEINDLER knapp vor ihrer Vertreibung.
Ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz war im Andräviertel, Franz-Josef-Straße 5. Else STEINDLER und ihr 14-jähriger Sohn Ernst konnten gemeinsam mit Elses jüngerem Bruder Viktor, der vom 5. bis zum 23. September 1938 im KZ Dachau inhaftiert war, gleich nach seiner Freilassung nach England flüchten.
Ihr Bruder Walter und ihre Eltern Rosa und Rudolf Weinstein überlebten in Palästina (seit 1948 Israel).3
Ernsts Vater Eduard STEINDLER, von Beruf Handlungsreisender, wohnte seit Juni 1938 in Wien. Seine letzte bekannte Adresse, 8. Bezirk, Schlösselgasse 24/8, war der Wohnsitz seiner verstorbenen Eltern Paula und Julius STEINDLER.
Ihr Sohn Eduard, dessen Ehe laut Polizeimeldekartei als geschieden galt, wurde am 21. Oktober 1939 im nationalsozialistischen Wien amtlich abgemeldet, und zwar mit dem Vermerk: »Polen«.
Gewiss ist, dass sich der 47-jährige Eduard STEINDLER unter den 912 Juden des ersten Wiener Transportes befand, der am 20. Oktober 1939 nach Nisko in das besetze Polen ging, wo Adolf Eichmanns »Judenreservat« entstehen sollte. Sein Experiment überlebten die meisten Deportierten nicht.
Zu den Opfern zählen die in Salzburg geborenen Juden Ludwig BONYHADI und Eduard STEINDLER (beide Opfer stehen mit Namensfehlern in der österreichischen Shoah-Datenbank und sind daher nicht auf Anhieb zu finden).
Eduard STEINDLERS in London lebender Sohn Ernst gab seinem am 30. Oktober 1950 geborenen Sohn den Vornamen Edward, benannt nach seinem ermordeten Großvater.
Schließlich sind noch die Lebenswege der Bürmooser Fabrikantenfamilie Glaser, ihrer zweiten und dritten Generation zu rekonstruieren: Am 10. Juni 1917 heiratete Dr. Hermann Glaser in der Salzburger Synagoge die Tochter eines Lederfabrikanten aus Mähren, die am 23. Februar 1894 in Eibenschitz (Ivancice) geborene Lilly Sinaiberger.
Das Ehepaar hatte drei Kinder: Johanna Gertrude (Gerta), geboren am 28. August 1918 in Salzburg, Felicitas, geboren am 6. Februar 1920 in Brüx (Most), und Paul, geboren am 3. Mai 1924 in Teplitz (Teplice).
Die nach österreichischem Recht zunächst in der Stadt Salzburg und danach in der böhmischen Stadt Brüx (Most) heimatberechtigte Familie Glaser lebte abwechselnd in Brüx, Wien und Salzburg, schon des Öfteren getrennt, wie aus dem Melderegister hervorgeht, und zuletzt gemeinsam in Salzburg, im Haus Markus-Sittikus-Straße 11, das eine Zeit lang dem Ehepaar Hermann und Lilly Glaser gehörte und auch Wohnsitz der verwitweten Mutter, Schwiegermutter und Großmutter Emma Glaser bis zu ihrem Tod am 16. Mai 1934 war.
Dr. Hermann Glaser blieb nach dem Tod seiner Mutter in Salzburg – bis zu seiner Vertreibung, die den Lebensweg seiner Familie für immer entzweite. Seine Ehefrau Lilly und ihre Kinder lebten, nicht zuletzt wegen des Schulbesuches, in Wien, waren dort als tschechoslowakische Staatsangehörige im 19. Bezirk, Formanekgasse 37/6 gemeldet.
Sie flüchteten Anfang August 1938 in die Tschechoslowakei, im Jahr 1939 weiter nach England und im Herbst 1940 in die USA.
Weder die Mutter noch ihre Kinder kehrten nach Wien oder Salzburg zurück.
Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Salzburg 26 Juden, darunter der im Haus Faberstraße 30 wohnende und als staatenlos geltende Dr. Hermann Glaser verhaftet, vom Polizeigefängnis in das KZ Dachau deportiert und mit der Auflage freigelassen, das Deutsche Reich umgehend zu verlassen.
Fünf freigelassene und nach Salzburg zurückgekehrte Juden, Dr. Hermann Glaser, Rechtsanwalt Dr. Richard Weinberger, Artur Kohn und die Brüder Hugo und Karl Klein flüchteten im März 1939 auf der italienischen Conte Biancamano von Genua nach Shanghai in China, wo sie bis August 1945 interniert waren.
Karl Klein starb in Shanghai, sein Bruder Hugo Klein emigrierte nach Israel. Dr. Richard Weinberger, Artur Kohn, seine Ehefrau und ihre drei Kinder, die ihrem jüdischen Ehemann respektive Vater im Jahr 1940 auf dem Landweg nachgereist waren, konnten erst Anfang 1947 nach Salzburg zurückkehren.
Hier musste Artur Kohn erfahren, dass seine Mutter, einst Wirtschafterin der Familie Glaser in Bürmoos, nicht mehr am Leben war.
Die 64-jährige Berta Kohn zählte zu den 1.000 Jüdinnen und Juden, darunter die ebenfalls aus Salzburg vertriebenen Eheleute Irma und Arthur BONDY, die am 28. November 1941 vom Wiener Aspang-Bahnhof in die besetzte Sowjetunion deportiert und von der SS in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ermordet wurden.
Dr. Hermann Glaser, der im November 1938 aus Salzburg vertriebene und Anfang 1947 aus dem Exil in Shanghai zurückgekehrte Spross der Fabrikantendynastie, lebte allein in Wien und starb am 10. Jänner 1956.
Er wurde im Grab seiner Eltern auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg beigesetzt. Nach seinem Tod kommen in den USA seine Enkelkinder Julie und James zur Welt.
1 Auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg-Aigen befindet sich auch das Grab der Marie Glaser, geborene Kupfer, und ihres 1926 verstorbenen Ehemannes Sigmund Glaser, eines Bruders von Ignaz Glaser. Die Brüder Ignaz und Sigmund hatten noch fünf Geschwister, Henriette Hahn, gestorben 1904 in Pilsen, Franziska Kupfer, gestorben 1924 in Weiden, Pauline Kohn, gestorben 1929 in Znaim, Adolf Glaser, gestorben 1918 in Teplitz, und Dr. Julius Glaser, gestorben 1922 in Wien. Ignaz Glasers 1934 in Salzburg verstorbene Ehefrau Emma, geborene Kupfer, hatte zwei Geschwister, Julius Kupfer, gestorben 1886 in Wien, und Paula Nachmias, gestorben 1926 in Wien, und vier Halbgeschwister, Ernst Kupfer, gestorben 1883 in Wien, Hermann Kupfer, gestorben 1934 in Wien, Max Kupfer, ermordet am 4. Juli 1942, und Anna Löwy, ermordet am 22. September 1942 in Theresienstadt.
2 Rosa Weinsteins jüngerer Bruder Karl Wasserzug war Kaufmann und Mitglied des Kultusrates der jüdischen Gemeinde in Salzburg. Er wurde mit seiner zweiten Ehefrau Eva am 6. Februar 1942 von Wien nach Riga deportiert und ermordet.
Seine am 13. September 1916 in Salzburg geborene Tochter Friederike, die zuletzt in Prag lebte, wurde am 21. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und ermordet.
Das Grab ihrer 1928 in Salzburg verstorbenen Mutter Hermine, der ersten Frau Karl Wasserzugs, befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg-Aigen.
3 Rosa und Rudolf Weinsteins am 25. April 1903 in Salzburg geborener Sohn Walter, ein Zionist, der schon im August 1935 wegen des virulenten Antisemitismus nach Palästina emigrierte, mittlerweile israelischer Bürger, bat 1975 um eine amtliche Bestätigung seiner Emigration, die ihm das Amt der Salzburger Landesregierung mit folgender Begründung verweigerte: … Ergänzend zur Anfrage wird weiters mitgeteilt, dass sich befragte, ältere, gebürtige und ortsansässige Salzburger nicht erinnern können, dass bereits im Jahr 1935 ein antijüdischer Druck – wie Sie Ihre Ausreise bezeichnen – stattgefunden hat. Die beantragte Bescheinigung der Emigration kann daher nicht ausgestellt werden.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg und Wien
- Israelitische Kultusgemeinde Salzburg und Wien
Stolperstein
verlegt am 18.04.2013 in Salzburg, Franz-Josef-Straße 5