Elisabeth SCHUMANN, am 13. Juni 1888 in der deutschen Stadt Merseburg an der Saale geboren und evangelisch getauft, war das jüngere von zwei Kindern des Ehepaares Emma, geborene Sonntag, und Alfred Schumann, Lehrer und Organist in Merseburg, damals Kreishauptstadt in der preußischen Provinz Sachsen (heute Sachsen-Anhalt).
Elisabeth SCHUMANN studierte Gesang in Dresden und Berlin. Sie wirkte rund ein Jahrzehnt als Sopranistin am Hamburger Stadttheater und besetzte vornehmlich Soubretten-Rollen in Mozart-Opern und außerdem die »Sophie«: ihre bevorzugte Rollenwahl seit der Hamburger Premiere des Rosenkavaliers im Februar 1911.
Im Herbst 1914, somit nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, gab Elisabeth SCHUMANN als »Sophie« ihr Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera, womit ihr der internationale Karrieredurchbruch gelang.
In die Schlagzeilen geriet Elisabeth SCHUMANN allerdings wegen ihrer Affäre mit dem Dirigenten Otto Klemperer. Beachtenswert ist hingegen, dass sie aus ihrer Ehe mit dem Architekten Walther Puritz einen Sohn hatte: Gerd, 1914 in Hamburg geboren.
Im März 1919 heiratete sie in Hamburg den Pianisten und Dirigenten Oscar Alwin (vormals Alwin Oscar Pincus, jüdischer Religion, zum evangelischen Glauben konvertiert).
Im Friedensjahr 1919 zog das Künstlerehepaar nach Wien, in die Hauptstadt des Kleinstaates Österreich, dessen große Oper an der Ringstraße bewahrt werden konnte, nicht zuletzt dank des Komponisten Richard Strauss, der in den Jahren 1919 bis 1924, von vielen Querelen geprägt, als künstlerischer Oberleiter fungierte.
Richard Strauss engagierte Elisabeth SCHUMANN – ohne vorhergehendes Gastspiel – an die Wiener Staatsoper. Am 4. September 1919 debütierte sie als »Sophie« mit einer guten unsignierten Kritik:
… Nun bewirkten Neubesetzungen die Unabwendbarkeit einiger Proben; und dieser Umstand kam dem gestrigen Abend umso mehr zustatten, als sich eben diese Neubesetzungen als ungemein glückliche erwiesen. Frau Schumann, die als Sophie ihr Engagement antrat, ist bekanntlich von Richard Strauß an die Wiener Oper gebracht worden.
Ein zierliches Wesen mit sprechenden Augen und graziösen, jungmädchenhaften Bewegungen. Die Stimme ist nicht groß, sitzt aber vorzüglich und stützt sich auf einen reinen klingenden Kopfton. Und das Wichtigste: in dem zierlichen Persönchen steckt eine starke Persönlichkeit, ein dem Liebenswürdigen, Gewinnenden zugewendetes Bühnentalent. […]
Das Orchester entfaltete unter Franz Schalks hingebungsvoller Leitung seine blendendste Virtuosität. So war es seit langem wieder ein festlicher Abend. Umso unbegreiflicher die kühle Haltung des Publikums.
Neues Wiener Journal, 6. 9. 1919, S. 9
Fraglich ist, ob sich besagte Publikumsreaktion auf das Debüt der von Richard Strauss protegierten Sängerin bezieht. Verbürgt ist jedenfalls, dass Elisabeth SCHUMANN in den neunzehn Jahren ihres Wirkens an der Staatsoper 85-mal als »Sophie« auftrat. Unbegreiflich ist daher, dass sie kein einziges Mal bei den Salzburger Festspielen im Rosenkavalier von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal mitwirken konnte.
Dennoch sind ihre Verdienste um die Salzburger Festspiele nicht vergessen.
Ende 1921 unternahmen Staatsoperndirektor Richard Strauss und Elisabeth SCHUMANN eine Konzerttournee in US-amerikanischen Städten – gepriesen als »Triumphzug der Wiener Kunst«, der sich auch für die nächsten Salzburger Festspiele als lukrativ erwies.
Es gelang Richard Strauss in New York, Mrs. Minnie Untermyer, Ehefrau des Rechtsanwaltes und Aktivisten gegen Antisemitismus Samuel Untermyer, zu inspirieren, zur Unterstützung der Salzburger Festspiele ein Fundraising-Komitee zu gründen. Eine Spendensammlung brachte 4.000 Dollar (heutiger Wert rund 80.000 Dollar).
Sieben Tage vor der Eröffnung der Salzburger Festspiele 1922 hatte Elisabeth SCHUMANN als Interpretin von Liedern des Komponisten Richard Strauss ihren ersten Auftritt in Salzburg mit exzellenter Kritik:
… Der größte lebende Musiker hat wieder zu uns gesprochen und wir haben ergriffen gelauscht. Es war das Erlebnis des Abends. Frau Schumann, von Herrn Alwin meisterhaft begleitet, lieh den Gesängen ihren süßen, biegsamen Sopran. Die Interpretation stand auf der Höhe der Schöpfung.
Salzburger Volksblatt, 8. 8. 1922, S. 3
Es bedarf aber einer Erläuterung: Richard Strauss hatte seine nach Gedichten des Romantikers Clemens Brentano vertonten sechs Lieder der Sopranistin Elisabeth SCHUMANN gewidmet.
Die von ihr am 7. August 1922 im Großen Saal des Mozarteums gesungenen »Brentano-Lieder«, begleitet von ihrem Ehemann Oscar Alwin am Klavier, waren ein Programmpunkt des ersten Konzertes der Internationalen Kammermusiktage, die unter dem Protektorat von Richard Strauss stattfanden.
In den weiteren Konzerten mit Elisabeth SCHUMANN kamen »misstönende« Werke moderner Zeitgenossen wie Hugo Kauder zur Aufführung, die einen Salzburger Kritiker mit dem Signum »O.« in Rage brachten:
… Ich warne noch zu einer Zeit, wo wir selbst uns noch nicht vor unserem Mozarttempel zur Gänze als Außenstehende befinden. Um Geld allein darf unser dem Salzburger Genius geweihtes Heim nicht zu haben sein. Zurück zu der bei der Eröffnung [des Mozarteums] angelobten Würde: Nur deutsche Kunst im deutschen Haus! O.
Salzburger Chronik, 11. 8. 1922, S. 3f.
Am 20. August, zehn Tage nach dem Ende der auf antisemitische Abwehr stoßenden Kammermusiktage, sorgte Richard Strauss wieder für Eintracht im Mozarteum: Die Wiener Philharmoniker spielten Mozarts Exsultate jubilate, ein Jugendwerk mit dem lateinischen Sopransolo »Alleluja, alleluja, alleluja …«, von Elisabeth SCHUMANN gesungen:
… Eine Solistin holte sich Beifallsstürme: Frau Schumann, die die Kantate ‚Exsultate jubilate‘ prächtig sang, voller Feuer, Wärme und hinreißendem Schwung. Wenn Richard Strauß ihr lebhaft applaudierte, so war darin mehr als eine Geste konventioneller Höflichkeit zu sehen. […]
Salzburger Volksblatt, 21. 8. 1922, S. 4
Das mit Jubel quittierte Konzert von Richard Strauss stand auf dem Programm der Salzburger Festspiele 1922, die als Mozart-Festspiele in die Geschichte eingingen, da die Wiener Philharmoniker und Staatsoper unter der Leitung von Richard Strauss ausschließlich Werke von Mozart spielten.
Elisabeth SCHUMANN, die als Soubrette auf dem Besetzungsplan von vier Opern aufscheint, sang mehrmals das »Blondchen« in Die Entführung aus dem Serail, die »Despina« in Cosí fan tutte und die »Susanna« in Le nozze di Figaro, aber nicht wie vorgesehen die »Zerlina« in Don Giovanni. Diese Rolle besetzte nämlich Lotte SCHÖNE.
Mediale Aufmerksamkeit erhielt bloß die Sopranistin Rose PAULY, als sie im letzten Moment für eine ferngebliebene Kollegin als »Donna Anna« in Don Giovanni einsprang. Andernfalls wäre der festliche Auftakt zu den Mozart-Festspielen 1922 misslungen. In den nächsten beiden Festspielsommern gab es aus finanziellen Gründen keine Opernaufführungen.
An der Covent Garden Opera in London konnten jedoch nach Kriegsende erstmals im Frühjahr 1924 wieder Opern in deutscher Sprache aufgeführt werden: Bruno WALTER leitete den Rosenkavalier mit Lotte LEHMANN als »Feldmarschallin« und Elisabeth SCHUMANN als »Sophie«.
In den folgenden Jahren eröffnete die Covent Garden Opera ihre »deutsche Saison« wieder mit der Wiener Musikkomödie Der Rosenkavalier. Im Mai 1926 stand erstmals eine Mozart-Oper auf dem Programm der Covent Garden Opera: Don Giovanni mit Elisabeth SCHUMANN als »Zerlina« und Lotte LEHMANN als »Donna Elvira« unter dem Dirigenten Bruno WALTER.
Elisabeth SCHUMANN, gefeiert als »Mozartsängerin von reinstem Wasser«, hatte in den Salzburger Festspielsommern 1925 und 1926 keine Auftritte in Mozart-Opern. 1926 sang sie jedoch viermal die Soubretten-Rolle »Serpina« in Pergolesis La serva padrona (Die Magd als Herrin):
… Elisabeth Schumann, glänzend als Sängerin, blieb als Zerbine [Serpina] von Beginn bis zum Schluss von geradezu bewältigender Zierlichkeit und Beweglichkeit.
Salzburger Chronik, 13. 8. 1926, S. 6
Männliche Kritiker loben Eigenschaften, die sie von Soubretten erwarten. Im Festspielsommer 1927 hatte Elisabeth SCHUMANN in zwei Opern jeweils einen Auftritt: als »Zerlina« in Don Giovanni und als »Marzelline« in Fidelio. Augenscheinlich ist, dass ihre Kolleginnen in den illustren Festspielsommern den Vorzug genossen.
Elisabeth SCHUMANN bekam jedoch ebenso vom Bundespräsidenten den Titel »österreichische Kammersängerin« verliehen. Sie erhielt außerdem die österreichische Staatsbürgerschaft.
Anfang der 1930er Jahre unternahmen Elisabeth SCHUMANN und ihr Mann Oscar Alwin noch gemeinsam Konzerttourneen in Nord- und Südamerika. Im Jahr 1933 ließ sich aber das Ehepaar scheiden. Der Ehemann heiratete bald darauf wieder. Elisabeth SCHUMANN war seither mit dem Wiener Arzt Dr. Hans Krüger liiert. Er war Jude.
Im Juni 1934 bekam sie als zweite Künstlerin – die erste war im Oktober 1933 Lotte LEHMANN als »Primadonna« – den Ehrenring der Wiener Philharmoniker verliehen.
Ende des Jahres 1934 hatten Lotte LEHMANN und Elisabeth SCHUMANN, die seit ihrem Engagement am Hamburger Stadttheater gut befreundet waren, an der Philadelphia Opera gemeinsam Auftritte: die eine als »Feldmarschallin« und die andere als »Sophie« im Wiener Rosenkavalier, den Herbert GRAF zum ersten Mal in den USA inszenierte.
Nach der Premiere des Rosenkavaliers im Salzburger Festspielsommer 1935 – ohne Elisabeth SCHUMANN – bemerkt der Wiener Kritiker Fritz Deutsch:
… Nun kann auch Salzburg seine Feste nur so feiern, wie die Chancen der Besetzung fallen. Auf vieles muss im Rosenkavalier verzichtet werden – auf Mayr, die Novotna, Elisabeth Schumann und anderes –, aber die Aufführung hat ihren Glanzpunkt hinübergerettet: Lotte Lehmanns Marschallin.
Neues Wiener Journal, 3. 8. 1935, S. 11
In Salzburg bekam Elisabeth SCHUMANN jedenfalls keine Chance, ihre Rolle im Rosenkavalier zu besetzen. Im Herbst 1935 sang sie wieder ihre »Sophie« an der Staatsoper, ehe sie zu ihrer Konzertreise nach Frankreich, England und Holland aufbrach. Im Februar 1936 wurde ihr das französische Ritterkreuz der Ehrenlegion (Chevalier de la Légion d’Honneur) verliehen.
Ein Wiener Kritiker hatte wohl die an der Wiener Staatsoper beliebte Mozart-Soubrette Elisabeth SCHUMANN im Auge, als er seine ersten Impressionen vom Salzburger Festspielsommer 1936 niederschrieb:
… Auch die ‚Figaro‘-Leute sind zum Teil schon da und umringen Frau Elisabeth Schumann, die ‚im letzten Augenblick‘ die Susanne übernommen hat und ‚nebenbei‘ die Despina in ‚Cosi fan tutte‘ singen wird.
Neues Wiener Journal, 21. 7. 1936, S. 11
Elisabeth SCHUMANN hatte im Festspielsommer 1936 – nach siebenjähriger Abwesenheit – je zwei Auftritte in Mozarts Le nozze di Figaro und Cosí fan tutte unter der Leitung des Dirigenten Felix von Weingartner.
Sie sang die »Susanna«, eine Kammerzofe:
… Elisabeth Schumann sang die Susanne. Welch reife und große Künstlerin damit auf der Bühne steht, bewies die herrlich vorgetragene Gartenarie. Freilich möchte man andererseits als Susannchen [!] eine springlebendige Opernsoubrette auf den Brettern sehen. […].
Salzburger Chronik, 28. 7. 1936, S. 7
Sie sang die »Despina«, ebenfalls Kammerzofe:
… Neu war auch Elisabeth Schumann als Despina. Wenn die gefeierte Sängerin mit nötigem Humor die köstlichen Triller des Doctore magnetico unterstreicht und damit die ‚Wunderheilung‘ bewirkt, oder wenn sie in der Verkleidung als Notarius fungiert, so freut man sich aufrichtig über die bewegliche Einstellung und stilsichere Haltung der Künstlerin, von der man doch wieder nicht mit Überzeugung behaupten könnte, dass ihr die Partie dieses frivolen Kammerzöfchens [!] gerade auf den Leib geschrieben ist …
Salzburger Chronik, 30. 7. 1936, S. 5
Der Salzburger Kritiker wünschte sich offenbar eine jüngere Soubrette als Kammerzofe. Die Partie der »Zerlina« in Don Giovanni sang bereits die um 20 Jahre jüngere Aenne Michalsky.
Elisabeth SCHUMANN hatte in den 19 Jahren ihres Wirkens an der Wiener Staatsoper 193 Auftritte in fünf Mozart-Opern. Im Juni 1937 wurde sie zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt. Im Herbst 1937 stand sie als Soubrette zum letzten Mal auf der Wiener Bühne. Sie ging auf Konzertreise nach London, sang unter anderem in der österreichischen Gesandtschaft, die Georg Albert »Baron« Franckenstein leitete.
Elisabeth SCHUMANN blieb nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich in England. Am 15. August 1938 heiratete sie in London ihren Lebenspartner, den aus dem nationalsozialistischen Wien geflüchteten Arzt Dr. Hans Krüger (vormals Kohn).
Ende August 1938 reiste das Ehepaar in die USA. Im November bewarben sich beide um die US-Staatsbürgerschaft. Ihre Ehe hielt aber nicht lange, sie wurde 1942 geschieden.
Elisabeth SCHUMANN gab noch einige Konzerte und war vornehmlich als Pädagogin am Curtis Institute of Music in Philadelphia tätig. Im November 1944 erhielt sie die US-Staatsbürgerschaft.
Im Oktober 1946 reiste Elisabeth SCHUMANN in das befreite Österreich. Im Großen Musikvereinssaal gab sie ein Konzert zugunsten des Wiederaufbaus der Wiener Staatsoper:
Wiedersehen mit Elisabeth Schumann. Erster Liederabend nach achtjähriger Trennung. Wir hörten sie wieder, die geliebte Stimme, und jene acht furchtbaren Jahre, die hinter uns liegen, waren wie ein Tag.
Elisabeth Schumann kam aus weiter Welt zurück und eines der reizvollsten Kapitel Wiener Musikgeschichte war vor uns aufgeschlagen: es duftete wie einst in der Anmut lieblicher Pianofärbungen und war nicht nur Reminiszenz, sondern neues, klangliches Erlebnis, gewonnen durch die ungebrochene Persönlichkeit einer wundersamen Künstlerin. […] Dr. Peter Lafite
Wiener Kurier, 26. 10. 1946, S. 4
Es sind schöne aufgeblasene Worte, die etwas ungesagt lassen: Vertreibung, Lebens- und Karrierebruch.
Am 11. November 1946 war Elisabeth SCHUMANN wieder in New York. Sie starb dort 63-jährig am 23. April 1952, wurde aber in London, wo ihr Sohn mit seiner Familie lebte, auf dem Cemetery St. Martin of Tours Churchyard bestattet.
Im öffentlichen Raum ihrer ehemaligen Wirkungsorte Wien und Salzburg existiert ihr Name nicht.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Wien
- Archiv der Salzburger Festspiele
- ANNO – Austrian Newspapers Online
- Sabine Keil und Joy Puritz: Elisabeth Schumann. Lebensstationen der weltbekannten Merseburger Sopranistin, Querfurt 2008
Stolperstein
verlegt am 17.08.2020 in Salzburg, Max-Reinhardt-Platz