Franz ROSENKRANZ, geboren am 28. September 1886 in St. Georgen im Attergau (Oberösterreich), war Berufsoffizier im österreichischen Bundesheer, seit 1932 Hauptmann und Kommandant der 2. Kompanie des Infanterie-Regiments Nr. 12 (vormals Alpenjäger-Bataillon Nr. 3), das in Salzburg stationiert und mit der Traditionspflege des ruhmreichen k. u. k. Infanterie-Regiments »Erzherzog Rainer« betraut war.
Am 28. Juli 1934 war die 2. Kompanie des Hauptmannes ROSENKRANZ an der Niederschlagung des nationalsozialistischen Putsches in Lamprechtshausen maßgeblich beteiligt. Dabei kamen sechs Putschisten und zwei Soldaten des Bundesheeres ums Leben.
Zu beachten ist, dass der Strafprozess gegen die im Juli 1934 am Putsch in Lamprechtshausen beteiligten Nationalsozialisten nicht wie fälschlich angenommen am Landesgericht Salzburg stattfand, sondern vor dem 6. Senat des Militärgerichtshofes in Linz: Die im November 1934 wegen Aufruhrs zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten 28 SA-Männer – die als Ortsgrößen oder Drahtzieher des Putsches bezeichneten Nationalsozialisten aus Lamprechtshausen befanden sich nicht darunter – wurden noch während der österreichischen Diktatur amnestiert und aus der Haft entlassen.
Die nach dem österreichischen Strafgesetz gefällten Urteile über illegale Nationalsozialisten wurden außerdem unter dem NS-Regime rückwirkend aufgehoben, womit die Verurteilten als unbescholten galten, während ihre ehemaligen Verfolger als Opfer der politischen Rache zu Tode kamen.
Bei der nationalsozialistischen Beurteilung des gescheiterten Putsches von SA-Männern, ihrer »Volkserhebung«, waren folgende Punkte von Bedeutung: Der Sicherheitsdirektor des Landes Salzburg, Gendarmerieoberst Ludwig Bechinie, hatte Militärassistenz angefordert, nachdem sich Gendarmerie und Heimwehr am 27. Juli außerstande gesehen hatten, die staatliche Ordnung wiederherzustellen.
Bundesheeroberst Josef Stochmal soll den Befehl vermittelt haben, die Ordnung mit allen Mitteln wiederherzustellen, wobei Gefangene nicht zu machen seien. Diesen Befehl soll Hauptmann ROSENKRANZ an die Truppe weitergegeben haben. Aus nationalsozialistischer Sicht trugen an den tragischen Folgen des Putsches allein die österreichischen Staatsträger schuld, die folglich unter dem NS-Regime zu den ersten Opfern des Terrors zählten – allesamt Opfer der politischen Rache:
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- Sicherheitsdirektor Ludwig Bechinie-Lazan wurde bereits am 2. April 1938 – »Liste der prominenten Schutzhäftlinge« – ins KZ Dachau deportiert, am 26. September 1939 nach Buchenwald überstellt und am 15. Juli 1941 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein vergast (»Aktion 14f13«).
- Oberlandesgerichtsrat Dr. Johann LANGER, Leiter der Gerichtsverfahren gegen die im Jahr 1934 an Terrorakten beteiligten illegalen Nationalsozialisten, wurde am 8. April 1938 ins KZ Dachau deportiert und von der SS derart gequält, dass er am 12. Oktober 1938 seinem Leben ein Ende machte, wie ein überlebender KZ-Häftling berichtete.
- Der am 28. Juli 1934 bei den Kämpfen in Lamprechtshausen schwer verwundete Anton Fingernagel, Stabswachtmeister unter dem Kommando des Hauptmanns Franz ROSENKRANZ, konnte zwar genesen und in der Kaserne am Franz-Josefskai reaktiviert werden, wurde aber schon im März 1938 vom Dienst enthoben und im Polizeigefängnis am Rudolfsplatz inhaftiert.
Am 19. April 1938 war der 29-jährige Unteroffizier tot: Suizid – eine vom Polizeiarzt bescheinigte Todesart, die nicht richtig sein muss. - Obergefreiter Wilhelm JAKOB, der als einfacher Soldat im Juli 1934 der Kompanie des Hauptmanns ROSENKRANZ in Lamprechtshausen zugeteilt war, wurde am 27. Juni 1938 vom Polizeigefängnis am Rudolfsplatz in das KZ Dachau deportiert, am 27. September 1939 nach Mauthausen überstellt und dort am 17. Februar 1940 ermordet.
JAKOB war, wie aus einer Justizakte hervorgeht, im Mai 1938 von einem Kameraden des Infanterie-Regiments Nr. 12 beschuldigt worden, er habe im Juli 1934 einem SA-Mann in Lamprechtshausen ins Knie geschossen. JAKOB sei außerdem »radikaler Kommunist« gewesen. Weder das eine noch das andere stimmte: JAKOB war vielmehr das Opfer der persönlichen Rache eines ehemaligen Kameraden, der gar kein Zeuge des Juli 1934 war.
Inklusive der am 28. Juli 1934 in Lamprechtshausen getöteten Alpenjäger Josef Gassner und Viktor Mayr sind es somit vier tote Soldaten aus der Kaserne am Franz-Josefskai – hinzukommen zwei Offiziere als Racheopfer.
Hauptmann Franz ROSENKRANZ wurde am 7. April 1938 – wohl nicht zufällig am Tag nach dem »triumphalen Einzug« Adolf Hitlers in Salzburg – verhaftet. Bekannt ist, dass zum Empfang Hitlers, der in Begleitung Heinrich Himmlers war, auch die »alten Kämpfer«, darunter Dr. Emil Sprenger, geladen waren. Hitler und Himmler wurden von Dr. Sprenger, vormals Arzt in Lamprechtshausen, mittlerweile SS-Sturmbannführer, über den »Mord« an seinen nationalsozialistischen Kameraden in Lamprechtshausen informiert. Hierauf wurden erst die beiden österreichischen Offiziere verhaftet: ROSENKRANZ in Salzburg und Stochmal in Wien.
Öffentlicher Ankläger war der Salzburger Staatsanwalt Dr. Stefan Balthasar, der für die angeklagten Offiziere die Todesstrafe wegen Anstiftung zum Verbrechen des Mordes bzw. wegen Verbrechen des teils vollbrachten und teils versuchten Mordes forderte. Das Landesgericht Salzburg als Schwurgericht konnte allerdings nicht einwandfrei feststellen, dass die Tötung und schwere Verletzung von SA-Männern in Lamprechtshausen auf den Befehl der Offiziere, keine Gefangenen zu machen, zurückzuführen seien.
Am 19. November 1938 wurde deshalb, von der Anklage des Staatsanwalts abweichend, nach dem österreichischen Strafgesetz ein Schuldspruch »wegen des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Verbrechen des Mordes« gefällt. Generalmajor Stochmal wurde zu acht Jahren und Hauptmann ROSENKRANZ zu sechs Jahren schwerem Kerker verurteilt – nicht rechtskräftig, weil sowohl der Ankläger und als auch die Anwälte der Verurteilten Rechtsmittel, Nichtigkeitsbeschwerde bzw. Berufung, erhoben. Stochmal und ROSENKRANZ blieben in Salzburg inhaftiert.
Am 18. Juli 1939 intervenierte der schon einmal erfolgreiche Denunziant SS-Sturmbannführer Dr. Emil Sprenger beim Reichsführer-SS Heinrich Himmler:
Reichsführer! […] Wir halten es aber für wichtig, dass auch Sie Reichsführer, auf dessen Initiative damals ROSENKRANZ verhaftet wurde und der Prozess ins Rollen kam, von den Bestrebungen erfahren, die eine Begnadigung der beiden herbeiführen soll. […]
Reichsführer, wir sind bestimmt nicht gehässig, aber es muss unbedingt verhindert werden, dass diese Schweinehunde vielleicht in kurzer Zeit wieder frei herumlaufen dürfen.
Wie von nationalsozialistischer Seite in Salzburg befürchtet, wurde das Urteil des Landesgerichtes Salzburg am 19. Jänner 1940 vom Reichsgericht in Leipzig aufgehoben, was bedeutete, dass die Strafsache in Salzburg neu verhandelt werden musste. Ankläger war wieder Dr. Stefan Balthasar, der abermals die Todesstrafe für beide Offiziere forderte.
In der Justizakte befindet sich das rund 120 Seiten lange Verhandlungsprotokoll, jedoch nicht das am 26. April 1941 am Landesgericht Salzburg unter dem Vorsitz des Richters Karl Wolf gefällte Urteil, das allerdings in nachfolgenden Schriftstücken vermerkt ist: acht Jahre schwerer Kerker für Stochmal und sechs Jahre schwerer Kerker für ROSENKRANZ – ein Urteil, gegen das wieder Rechtsmittel, Berufung bzw. Nichtigkeitsbeschwerde, erhoben wurden.
Von nationalsozialistischer Seite in Salzburg wurde nun aber ein Freispruch beim Reichsgericht in Leipzig befürchtet, wie aus dem Telegramm des Salzburger Reichsstatthalters Dr. Gustav Adolf Scheel vom 27. März 1942 an Reichsführer-SS Heinrich Himmler hervorgeht:
reichsfuehrer. in einer wichtigen angelegenheit bitte ich sie um ihren rat und ihre unterstuetzung. die groesste politische untat im gau salzburg in der systemzeit war der mord von lamprechtshausen, bei welchem sechs sa-maenner den tod fanden. […] der oberreichsanwalt brettle [Emil Brettle, 1877-1945] laesst mir heute mitteilen, dass die gefahr besteht, dass der senat zu einem voelligen freispruch komme. ein solcher freispruch wuerde aber in salzburg geradezu verheerend wirken. der generalstaatsanwalt hat mich nun selbst auf folgende loesung aufmerksam gemacht: das reichsgericht belaesst es bei dem urteil, laesst aber die beteiligten auf dem gnadenwege frei. der reichsfuehrer-ss ueberfuehrt aber die verurteilten sofort in ein konzentrationslager.
ich selbst bin der ansicht, dass ein freispruch unbedingt verhindert werden muss. die angelegenheit eilt, da mitte april der spruch des reichsgerichtes erfolgen soll. […] heil hitler.
gez. scheel gauleiter und ss-brigadefuehrer
Am 27. April 1942 erfolgte tatsächlich der Freispruch der Angeklagten Stochmal und ROSENKRANZ (Urteil und Begründung fehlen in der Akte des Landesgerichts). Der Ausgang entsprach letztlich doch dem Willen des Gauleiters von Salzburg, des SS-Brigadeführers Dr. Scheel, da die freigesprochenen Offiziere Stochmal und ROSENKRANZ nicht freigelassen, sondern ins KZ deportiert wurden: Stochmal angeblich nach Auschwitz, dann nach Sachsenhausen (die Deportations- und Todesdaten sind unbekannt), Franz ROSENKRANZ direkt vom Gefangenenhaus in Salzburg nach Sachsenhausen: am 22. Juli 1942 unter der Häftlingsnummer 44704, Block 37, dann Block ZB registriert, auch sein Abgang am 11. September 1942, jedoch nicht seine Überführung nach Lublin, erst sein erneuter Zugang in Sachsenhausen am 1. Mai 1944 mit der Häftlingsnummer 61290, und schließlich der Vermerk: »zu beurlauben am 23. 1. 1945«.
Franz ROSENKRANZ, der als »Ehrenhäftling« einen 10-tägigen Sonderurlaub bekam, durfte seine Familie in Salzburg besuchen, musste sich hier aber täglich bei der Gestapo melden und kam wegen der schwierigen Verkehrslage mit zweitägiger Verspätung zurück ins KZ Sachsenhausen. Wenige Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers am 22. April 1945 begann die Räumung durch die SS. Rund 33.000 Häftlinge wurden auf Todesmärsche geschickt. Dabei starben viele an Entkräftung.
Franz ROSENKRANZ befand sich unter jenen Häftlingen, die von der SS erschossen wurden: Tod am 19. April 1945 laut Vermerk in der Polizeimeldekartei der Stadt Salzburg.
Seine Ehefrau und drei Kinder überstanden die Terrorjahre. Frau ROSENKRANZ starb im Jahr 1982 in Salzburg.
Nach der Befreiung wurden die Täter Dr. Scheel, Dr. Sprenger und Dr. Balthasar zwar wegen ihrer Funktionen zur Verantwortung gezogen, doch alsbald wieder freigelassen.
Salzburgs Erzbischof Andreas Rohracher hatte unter anderem zugunsten Dr. Scheels interveniert, der daraufhin freigelassen wurde und wieder seine Approbation als Arzt erhielt.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg (Justiz- und Opferfürsorgeakten)
- Information der Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg vom 9. 12. 2011
- Andreas Maislinger: Der Putsch von Lamprechtshausen, Zeugen des Juli 1934 berichten, Innsbruck 1992
Recherche: Gernod Fuchs
Stolperstein
verlegt am 22.03.2012 in Salzburg, Mirabellplatz 1