Viktor POLLAK, geboren am 16. Jänner 1865 in Prag, war Jude, der 1891 in der Wiener Schottenpfarre zum katholischen Glauben konvertierte, und von Beruf Musiker und Kapellmeister, zuletzt beim Salzburger Alpenjäger Bataillon Nr. 3, das mit der Traditionspflege des ruhmreichen k. u. k. Infanterie-Regiments »Erzherzog Rainer« betraut war.
Er war verheiratet, hatte drei Kinder, lebte nach dem frühen Tod seiner Frau im Jahr 1918 abwechselnd in Wien und Salzburg und wählte im Mai 1934 Salzburg zu seinem ständigen Wohnsitz. Auf seiner Meldekarte steht in der Rubrik Religion korrekterweise »r. k.« (römisch-katholisch).
Als Viktor POLLAK am 16. Mai 1938, demnach schon unter dem NS-Regime, in das Haus Frueaufgasse 5 im Stadtteil Josefiau einzog, war er nicht genötigt, seine »Abstammung« der Hausbesitzerin mitzuteilen.
Rund dreieinhalb Jahre blieb er von rassistischen Verfolgungen unbehelligt.
Eine Mitbewohnerin glaubte aber bemerkt zu haben, dass Viktor POLLAK, den sie für einen »Halbjuden« hielt, mit der Hausbesitzerin einen allzu intimen Umgang pflegte – ein Verdacht, den die Mitbewohnerin der Gestapo zu Gehör brachte.
Am 13. November 1941 wurde Viktor POLLAK verhaftet.
Die Gestapo bemerkte in ihrem Bericht:
Pollak ist bisher als Jude nicht bekannt geworden und konnte daher bei der allgemeinen Judenerfassung nicht mit aufgenommen werden.
Durch seine katholische Konfession gelang es ihm, bei seiner polizeilichen Anmeldung am 16. 5. 1938 seine rassische Zugehörigkeit zu verheimlichen.
Es bedurfte folglich eines Verdachtes und einer Denunziation, um die »rassische Zugehörigkeit« festzustellen. Daraus ergab sich die folgenschwere Anschuldigung, »Rassenschande« begangen zu haben. Davon war aber allein der Mann betroffen (die Frau grundsätzlich nicht).
Viktor POLLAK leugnete nicht sein Liebesverhältnis zur Hausbesitzerin, einer »arischen Volksgenossin«, was als Verbrechen galt, das nach dem »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« durch das Sondergericht Salzburg (Vorsitz Richter Oskar Sacher) bestraft wurde.
Viktor »Israel« POLLAK wurde am 29. Jänner 1942 zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt, hierauf ins Zuchthaus Amberg in Bayern und von dort nach Maltheuern bei Brüx (tschechisch Most), damals Sudetenland, überstellt.
Er war dort in einem jener Strafgefangenen- und Zwangsarbeitslager inhaftiert, die zu Hermann Görings Sudetenländischen Treibstoff-Werken (STW) gehörten, wo synthetisches Benzin produziert wurde.
Die Gestapo Salzburg bestand darauf, dass der »Volljude« nach Verbüßung seiner Strafe wieder nach Salzburg überstellt werde, um ihn in ein Konzentrationslager zu deportieren.1
Der 77-jährige Viktor POLLAK überstand jedoch nicht die Haft im »STW-Lager 28a«. Sein Tod am 14. November 1942 in Maltheuern wurde dem Landesgericht und der Meldepolizei in Salzburg prompt mitgeteilt.
Seinen Namen sucht man allerdings vergeblich in den Shoah-Datenbanken. Es existiert keine Opferfürsorgeakte und ebenso wenig eine Justizakte, aus der hervorginge, dass die Denunziantin, die Gestapo-Beamten und Richter zur Rechenschaft gezogen worden wären.
1 Deportation nach Verbüßung der Strafe war gängige Praxis der Gestapo, wie anhand einer weiteren Opferbiografie belegt werden kann: Karl KOFLER, 1912 in Siebenbürgen geboren, Jude, 1937 in Salzburg katholisch konvertiert, wurde im März 1940 in Salzburg wegen »Rassenschande« zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt, nach der Verbüßung seiner Strafe ins KZ Flossenbürg deportiert, dort am 7. Mai 1942 ermordet.
Quellen
- Israelitische Kultusgemeinde Wien
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg, Wien und Prag
Stolperstein
verlegt am 22.03.2012 in Salzburg, Frueaufgasse 5