Adele PASCH, am 13. November 1878 in Waidhofen an der Thaya geboren, war eines von vier Kindern des jüdischen Ehepaares Julie und Josef Pollak – eine Handelsfamilie, die in den letzten Jahrzehnten der Monarchie Österreich-Ungarn in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz lebte.
Anhand der Register der Israelitischen Kultusgemeinde Oberösterreich wird ersichtlich, dass Adele und Friedrich PASCH1 am 11. Februar 1906 in der Linzer Synagoge heirateten.
Die nicht registrierten Daten ihrer Geschwister lassen sich aus anderen Quellen erschließen, was erst die Suche nach Shoah-Opfern in ihren Familien ermöglicht.
Weitere Recherchen zeigen, dass Friedrich PASCH seit 1901 ein Schuhgeschäft in Salzburg führte: zunächst am Makartplatz, seit 1912 im großräumigen Eckhaus Dreifaltigkeitsgasse 20, Paris-Lodron-Straße 2, und außerdem mehrere Filialen in Oberösterreich.
Das Ehepaar Adele und Friedrich PASCH hatte zwei in Salzburg geborene Kinder:
Hans am 23. Dezember 1906 und
Grete am 4. März 1908
Die Familie PASCH wohnte im ersten Stock des Hauses Paris-Lodron-Straße 2 – eine der rund fünfzig jüdischen Familien, die noch während der Österreichisch-Ungarischen Monarchie das »Heimatrecht« der Landeshauptstadt Salzburg erwerben konnten.
Besonders beachtenswert ist, dass Friedrich PASCH Mitglied der Zionistischen Ortsgruppe Salzburg war, und überdies – wie Sigmund Freud notabene – Mitglied der Loge B’nai B’rith.
Am 22. Juli 1934 starb Friedrich PASCH 62-jährig im Sanatorium Hromada2, das in Salzburg vornehmlich Jüdinnen und Juden aufsuchten. Sein Grab befindet sich jedoch auf dem jüdischen Friedhof in Linz (siehe Todesanzeige in Neue Freie Presse vom 24. Juli 1934).
Adele, Grete und Hans PASCH erbten das größte Schuhhaus der Stadt Salzburg mit rund 20 Arbeitskräften und seine Filialen in Linz, Wels und Braunau am Inn, außerdem die Linzer Immobilie Landstraße 54-56.
Ihr florierendes »jüdisches« Schuhhaus stand seit den 1920er-Jahren auf einer Boykott-Liste, die der Salzburger Antisemitenbund publizierte – mit dem Ziel, die wirtschaftliche Existenz aller Jüdinnen und Juden zu vernichten und sie mittellos aus ihren Lebensorten zu vertreiben.
Adele, Hans und Grete PASCH führten ihr Schuhhaus samt Filialen bis zu ihrer Enteignung durch das nationalsozialistische Regime im Jahr 1938.
Die Profiteure der »Arisierungen« in Salzburg und Linz haben Namen: Georg Matthis und Josef Fischer, Friedrich Oelsinger und Emmerich Müller.
Unser Wissen über die Täter ändert nichts an der Tatsache, dass die 60-jährige Witwe Adele PASCH, ihre 30-jährige Tochter Grete und ihr 31-jähriger Sohn Hans beraubt und vertrieben wurden.
In Wien fanden sie noch Gelegenheit, sich von ihren Angehörigen, Geschwistern bzw. Tanten und Onkeln zu verabschieden – allerdings ein Abschied ohne Wiedersehen.
Ihre Flucht glückte. In England, ihrem ersten Domizil, heirateten Hilda, eine Jüdin aus Innsbruck, und Hans PASCH, die sich nach ihrer Trennung in Salzburg wieder zusammenfanden.
Grete PASCH heiratete nach ihrer geschiedenen Ehe mit einem Juden aus Innsbruck kein zweites Mal.
Es herrschte Krieg, als die Flüchtlinge auf der S.S. Cameronia den Atlantik überquerten, am 29. Juli 1940 in New York landeten. Nach Kriegsende, dem Sieg über das nationalsozialistische Regime, erhielten Adele, Grete, Hans und Hilda PASCH die US-Bürgerschaft.
Die Überlebenden bekamen nun Gewissheit über den gewaltsamen Tod ihrer in Wien verbliebenen Angehörigen. Somit stand fest, dass Adele PASCH die einzige Shoah-Überlebende der Geschwister Pollak3 war und dass auch ein Bruder und Mitarbeiter ihres Ehemannes4 die Terrorjahre überstehen konnte.
Im Jahr 1948 wurde die Linzer Immobilie Landstraße 54-56 an Adele, Grete und Hans PASCH restituiert, jedoch nicht ihr in Salzburg und andernorts geraubtes mobiles Vermögen.
Adele PASCH starb 77-jährig 1956 in New York (Westchester Hills Cemetery), ihre Tochter Grete 60-jährig 1968 in New York (Ferncliff Cemetery) und ihr Sohn Hans 89-jährig 2003 in Englewood, Colorado.
Befremdlich ist, dass in einem Interview mit Hans PASCH, 1998 in Salzburg publiziert, die Shoah-Opfer väterlicher- und mütterlicherseits ungenannt bleiben – verdunkelte Erinnerungsspuren im Familiengedächtnis.
1 Friedrich PASCH, geb. 4. 3. 1872 in Skrysov, Bezirk Pribram in Böhmen, war eines von mehreren Kindern des Ehepaares Henriette, geborene Kompert, und Jakob Pasch, jüdischer Friedhof in Selcan (Seltschan), Böhmen.
2 Siehe Grete DE FRANCESO (Weissenstein), Sanatorium Hromada, Salzburg, Franz-Josef-Straße 11.
3 Geschwister der Adele PASCH: Ida Tandler (Witwe), Oskar und Emil Pollak und deren Ehefrauen sind Shoah-Opfer (siehe DÖW-Online-Datenbank).
4 Friedrich PASCHs Bruder Karl, geb. 11. 10. 1878 in Selcan, Überlebender der Shoah, starb 1948 in New York, Bronx.
Quellen
- Israelitische Kultusgemeinden Linz und Salzburg (Geburten- und Trauungsbücher der Kultusgemeinde Salzburg wurden unter dem NS-Regime vernichtet)
- Stadtarchiv Salzburg: Gewerbeakte, Heimatmatrik, Polizeimelderegister und Fotosammlung Krieger
- Inserat Schuhhaus Pasch (Salzburger Volksblatt 30. 4. 1912, 22, Salzburger Wacht 21. 5. 1912, 8)
- Geduldet, geschmäht und vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Hg. Daniela Ellmauer, Helga Embacher und Albert Lichtblau, Salzburg 1998, S. 169-202
- Albert Lichtblau: »Arisierungen«, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg, Wien-München 2004, S. 36ff.
- Verena Wagner, Jüdisches Leben in Linz. Wagner Verlag, 2008
Stolperstein
verlegt am 09.09.2024 in Salzburg, Paris-Lodron-Straße 2