Fritz (Friedrich Moritz Michael) KOLLINSKY, geboren am 23. Oktober 1875 in Prag (Praha), damals Österreich-Ungarn, heute Tschechien, war ein Sohn des jüdischen Ehepaares Helene, geborene Durst, und Isidor Michael Kollinsky aus Wien, somit väterlicherseits mit der Industriellenfamilie Naschauer verwandt.
Jenny Naschauer, geborene Kollinsky, war eine Tante und ihre Tochter Julie Herzl, die Ehefrau des Begründers des politischen Zionismus Theodor Herzl, war daher eine Cousine des Fritz KOLLINSKY.
Er machte in Berlin Karriere, avancierte zum Direktor und Mitglied des Vorstandes und Aufsichtsrates des Transport- und Versicherungsunternehmens Schenker & Co, Unter den Linden 39. Im Mai 1925 heiratete er in Berlin die um 16 Jahre jüngere Gertrud Ulbricht aus Halle an der Saale. Ihr Sohn Fritz kam am 15. Juni 1926 in Berlin zur Welt. Die Familie wohnte in Charlottenburg-Wilmersdorf, nahe dem Kurfürstendamm.
Im November 1930 erwarb Gertrud Kollinsky in Salzburg-Maxglan die Villa Nr. 7 (EZ 709), wie aus dem Grundbuch ersichtlich. Im Jänner 1931 übersiedelte die Familie von Berlin nach Salzburg, in ihr Haus mit der Adresse Moosstraße 17.
Aus dem Melderegister geht hervor, dass Fritz KOLLINSKY österreichischer Staatsbürger war und wie seine Ehefrau der evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnis angehörte. Seine jüdische Herkunft lässt sich daraus keinesfalls erschließen.
Wie konnte daher die Gestapo Salzburg im »Anschluss«-Jahr 1938 wissen, dass KOLLINSKY Jude im Sinne der Nürnberger Rassengesetze (1935) war? Offenbar durch eine gezielte Information aus Berlin im April 1938, als dem ehemaligen Manager des jahrzehntelang als jüdisch diffamierten Schenker-Konzerns die vertraglich zugesicherte Pension auf Lebenszeit aberkannt wurde – für die Familie existenzbedrohend.
Sie musste außerdem eine Vermögenserklärung abgeben – Grundlage für die »Arisierung«, den Raub ihres Eigentums.
In Salzburg war die Familie dem Terror der Gestapo ausgeliefert, wobei es Schlag auf Schlag ging:
• Anzeige gegen Fritz KOLLINSKY wegen »Rassenschande«, obschon seine Ehe mit einer nicht-jüdischen Frau ein Jahrzehnt vor den Rassengesetzen geschlossen worden war (Verfahren Vr 2620/38 am Landesgericht Salzburg eingestellt)
• Verhaftung KOLLINSKYS am 10. November 1938 – während der Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung – und dreiwöchige Haft im Polizeigefängnis, derweilen Beschlagnahme (Raub) aller Wertsachen inklusive des Familienschmucks im Wert von 20.000 Reichsmark im Haus Moosstraße 17
• Freilassung KOLLINSKYS gegen eine Kaution von 17.000 Reichsmark und mit der Auflage, Salzburg binnen 24 Stunden zu verlassen.
Unter dem Druck der Gestapo Salzburg – Chef war der am 9. November 1938 zum SS-Sturmbannführer beförderte Karl-Heinz Rux – musste die als »arisch« geltende, aber mit einem »Rassejuden« verheiratete Gertrud Kollinsky ihr Haus verkaufen.
Sie brauchte außerdem dringend Geld, um für ihren Mann und Sohn sorgen zu können. Die Familie flüchtete am 5. Dezember 1938 nach Berlin und fand dort Unterschlupf. Gertrud Kollinsky schreibt in ihrem Gedächtnis-Protokoll vom 17. März 1951:
In Berlin musste sich mein Mann alle 14 Tage bei der Gestapo stellen. Im November 1939 wurde er in das Gestapo-Gebäude an der Börse [Burgstraße Nr. 28: Judenreferat der Gestapo Berlin] zur Arbeitsleistung herangezogen, was die Grundlage für seinen frühen Tod bedeutete.
Die Arbeitsräume lagen 1 ½ Stock tief unter der Erde ohne Tageslicht, wo Ausländer und Juden Arbeit verrichten mussten. Die Bezahlung bestand nur aus Verpflegung [für die Zwangsarbeit] von früh ½ 8 bis abends 7 Uhr.
Diese »Verpflegung« führte zu seinem völligen Zusammenbruch. Er wurde der Arbeit enthoben, konnte nur mehr im Rollstuhl gefahren werden und starb kurz darauf an Hungerödem im Krankenhaus Paul-Gerhart-Stift Berlin.
Fritz KOLLINSKY starb 69-jährig am 29. August 1945 in Berlin an den Folgen der Zwangsarbeit, der Torturen.
Die 54-jährige Witwe und ihr 19-jähriger Sohn Fritz hatten außerdem ihre letzten Habseligkeiten im umkämpften Berlin verloren.
Wohin konnten sich die beiden in ihrer Notlage wenden? Sie hatten noch gute Freunde in Salzburg, wo sie nach ihrer Rückkehr im Oktober 1945 einige Jahre in einem Gartenhaus wohnen durften.
Anfang der 1950er Jahre wurde der Witwe allerdings Opferfürsorge mit Anspruch auf Rente gewährt. Ihr Sohn Fritz konnte in Deutschland studieren und war dort als Chemiker tätig.
1969 ließ Gertrud Kollinsky die Urne ihres Mannes in Salzburg beisetzen. 1977 starb sie 85-jährig und 2002 ihr Sohn Dr. Fritz Kollinsky, ebenfalls bestattet auf dem Salzburger Kommunalfriedhof.
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg
- Israelitische Kultusgemeinde Wien
Stolperstein
verlegt am 28.09.2017 in Salzburg, Moosstraße 17