Adolf JACOBY, geboren am 30. Jänner 1859 in Aufhausen bei Bopfingen, Baden-Württemberg, war Mitglied einer der wenigen deutsch-jüdischen Familien, die sich seit den 1880er Jahren in der österreichischen Stadt Salzburg niederließen, aber deutsche Staatsangehörige blieben.
Die zumeist nah oder entfernt verwandten Familien aus Baden-Württemberg und Bayern hießen Baer, Bernheim, Dreifuß, Einstein, Jacoby, Leiter, Levi, Oppenheimer, Ottenheimer und Thalheimer.
Die Salzburger Filiale der Münchner Seiden- und Samtwarenhandlung Neuburger & Einstein am Makartplatz und der von Albert Levi aus Aufhausen im Jahr 1884 gegründete Großhandelsbetrieb am Residenzplatz zählten zu den namhaften Unternehmen während der Monarchie Österreich-Ungarn.
Die Reputation des am 20. März 1913 verstorbenen und auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg-Aigen bestatteten Seniorchefs und Hauseigentümers Albert Levi kommt noch in der Todesanzeige seiner Hinterbliebenen zum Ausdruck — eine der raren und daher bemerkenswerten Anzeigen Salzburger Juden in der großbürgerlich-liberalen Neuen Freien Presse.
Albert Levi hatte zwei in München geborene Söhne als Erben, Julius und Fritz, doch nur der ältere der Brüder Levi hatte einen Sohn als Stammhalter: Albert, geboren nach dem Tod seines Großvaters am 14. September 1914 in Salzburg. Der 1884 von Stuttgart nach Salzburg zugezogene Adolf JACOBY, verschwägert mit dem Firmengründer Levi, war dessen Mitarbeiter, sodann Geschäftsleiter, weil Levis Söhne kaum Ambitionen entwickelten.
Im Jahr 1898 heiratete JACOBY die am 9. August 1864 in Heilbronn am Neckar geborene Emilie Oppenheimer, deren Söhne in Salzburg zur Welt kamen: Fritz am 1. Oktober 1899 und Hans am 21. August 1904. Die Familie wohnte zunächst in der Salzburger Altstadt, am Alten Markt, schließlich im noblen, von wohlhabenden jüdischen Familien bevorzugten Andrä-Viertel, in dem um die Jahrhundertwende von Jakob Ceconi erbauten Haus Hubert-Sattler-Gasse 13, erste Etage.
Ihr älterer Sohn Fritz, der als deutscher Staatsbürger im Ersten Weltkrieg an der Westfront Kriegsdienst zu leisten hatte, wurde am 8. März 1918 in Flandern bei einem Granateinschlag getötet — ein schwerer Schlag für die Familie. Am 12. Juli 1926 starb Adolf JACOBYs Ehefrau Emilie 62-jährig in Salzburg, bestattet auf dem jüdischen Friedhof.
Auf ihrem Grabstein ist die Inschrift »Zum Gedächtnis an Fritz Jacoby« zu lesen. Ihr jüngerer Sohn Hans, der an der Oberrealschule in Salzburg maturiert hatte, machte in München und Bonn eine Buchhändlerlehre und zog im Jahr 1927 in die holländische Stadt Den Haag, wo er als Buchhändler bei Van Stockum kreativ arbeiten und zum Direktor avancieren konnte.
Ende der 1930er Jahre erwies sich sein mittlerweile gesicherter Lebensmittelpunkt in Den Haag als Rettung für seinen alten Vater, der 54 Jahre in Salzburg gelebt hatte.
Das antisemitische Salzburg wusste spätestens seit Mitte der 1920er Jahre, dass Adolf JACOBY Jude war. Sein Name steht nämlich im »Judenkataster«, in jenem Verzeichnis des auf Boykott und Vertreibung aller Juden zielenden Eisernen Besens, einer rassistischen Zeitschrift, die von der Ortsgruppe Salzburg des 1919 gegründeten österreichischen Antisemitenbundes herausgegeben wurde.
Der in Salzburg zurückgezogen lebende Witwer Adolf JACOBY — eine Funktion in der Israelitischen Kultusgemeinde ist nicht bekannt — flüchtete im Gewaltjahr 1938 noch rechtzeitig zu seinem Sohn Hans nach Den Haag, sodass er den November-Pogrom in Salzburg nicht miterleben musste.
Holland wurde allerdings im Mai 1940 von Deutschland besetzt. Damit drohte den Flüchtlingen die Internierung im Camp Westerbork, seit Juli 1942 als »polizeiliches Judendurchgangslager« unter deutscher Verwaltung für die von der SS organisierten Todeszüge.
Bekanntlich war der Österreicher Dr. Arthur Seyß-Inquart als Reichskommissar der besetzten Niederlande verantwortlich für den Terror und die Deportationen von über 100.000 Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager.
Adolf JACOBY, der dank seines Sohnes das Leid der internierten Flüchtlinge nicht ertragen musste, starb 83-jährig am 2. Jänner 1943 in Den Haag. Sein Sohn Hans und dessen Ehefrau und Sohn überstanden die Terrorjahre im besetzten Holland. Über seine in Deutschland verbliebenen Verwandten ist mangels Daten nichts Genaues bekannt.
Unter den Shoah-Opfern befinden sich allerdings einige aus Adolf JACOBYS Heimatgemeinde Aufhausen mit den Namen Jacoby, Levi und Leiter (Geburtsname der Schwiegermutter Albert Levis).
Gewiss ist jedenfalls, dass die meisten der aus Salzburg geflüchteten Mitglieder deutsch-jüdischer Familien überlebten: Ethel und Fritz Levi in England, Helene und Ernst Jacoby, Adolfine und Max Dreifuß, Mathilde und Leopold Ottenheimer und ihre Söhne Ludwig und Max in Argentinien.
Albert Levis jüngerer Sohn Fritz, verheiratet mit der Engländerin Ethel Arnold, starb 1958 in Nottingham. Sein älterer Bruder, der am 8. März 1878 in München geborene Julius Levi, war das einzige nach österreichischem Recht in Salzburg heimatberechtigte Familienmitglied.
Seine Ehe ging in die Brüche. Er lebte unter dem NS-Regime in Wien und wurde am 11. Jänner 1942 nach Riga, in das von deutschen Truppen besetzte Lettland deportiert und dort ermordet. Recherchen ergaben des Weiteren, dass sein am 14. September 1914 in Salzburg geborener Sohn Albert Levi, der seinen Familiennamen ändern ließ, überleben konnte. Er kehrte jedoch nicht nach Salzburg zurück.
Auf dem jüdischen Friedhof in Aigen bei Salzburg befinden sich die Grabsteine von Albert und Klara Levi, Ernestine Thalheimer (Klara Levis Mutter) und Emilie Jacoby.
Im Jahr 1992 publizierte ihr Sohn Hans Jacoby bei Van Stockum seine Memoiren »Ter herinnering: memoires van een boekverkoper als ooggetuige van de twintigste eeuw«. Im Jahr darauf zählte er zu den von Stadt und Land Salzburg eingeladenen jüdischen Gästen, andernfalls hätte er seine Geburtsstadt nie mehr betreten.
Bei dieser Gelegenheit besuchte er das Grab seiner Mutter und sein ehemaliges Wohnhaus Hubert-Sattler-Gasse 13. Jacoby wusste mittlerweile, wer unter dem NS-Regime Nutznießer der Vertreibung seines Vaters aus Salzburg war: der berüchtigte Nationalsozialist Hermann Höfle.1
Am 23. November 2004 starb Hans Jacoby 100-jährig in seiner Heimatstadt Den Haag.
1 Adolf Eichmann erhielt am 11. Jänner 1943 einen verschlüsselten Funkspruch des SS-Sturmbannführers Hermann Höfle mit den Zahlen der bis Jahresende 1942 in Lublin-Majdanek, Sobibor, Belzec und Treblinka ermordeten Juden: »… zusammen 1274166«.
Der vom britischen Geheimdienst entschlüsselte und unter Verschluss gehaltene Funkspruch wurde erst im Jahr 2000 freigegeben. Hierauf kam die Rolle des Salzburgers Hermann Höfle wieder zur Sprache (Peter Witte, Stephen Tyas: A new Document on the Deportation and Murder of Jews during ‚Einsatz Reinhard’ 1942, in: Holocaust and Genocide Studies 15/3, pp. 468-486).
Der am 19. Juni 1911 in Itzling (einst Gemeinde Gnigl) geborene Hermann Höfle war Mechaniker und Chauffeur in Salzburg, im November 1938 aktiv Beteiligter am Pogrom, auch Nutznießer der Vertreibung Salzburger Juden (die von Adolf JACOBY geräumte Wohnung im Haus Hubert Sattler-Gasse 13 war bis 1946 von der Familie Höfle besetzt) und während des Vernichtungskrieges »Judenreferent« im Stabe des Höheren SS- und Polizeiführers Odilo Globocnik, in dieser Funktion Organisator der »Aktion Reinhard«, somit einer der Hauptverantwortlichen der Judenvernichtung im »Generalgouvernement«.
Hermann Höfle, der im Jahr 1947 zu seiner Familie nach Salzburg zurückkehrte und zuletzt in Parsch lebte, sollte sich im Zuge des Eichmann-Prozesses seiner Verantwortung für die Shoah stellen: Höfle erhängte sich am 21. August 1962 in seiner Gefängniszelle in Wien.
(siehe: Winfried R. Garscha: Das Scheitern des »kleinen Eichmann-Prozesses« in Österreich).
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg
Stolperstein
verlegt am 14.07.2015 in Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 13