Olga HEKAJLLO, geboren am 20. Jänner 1892 in Lemberg (Lwów, Lwiw), Galizien, damals Österreich-Ungarn, war das ältere Kind des katholischen Ehepaares Sigmund HEKAJLLO, eines im österreichischen Kronland Galizien stationierten Offiziers, und Bertha, geborene Schuschnigg, Tochter des Ehepaares Generalmajor Alois Edler und Katharina von Schuschnigg, die ihren Alterswohnsitz in der Stadt Salzburg hatten, wie aus dem High-Life-Almanach der österreichischen Gesellschaft (Kronland Salzburg) hervorgeht.

Unter derselben Adresse, Salzburg, Hubert Sattlergasse 5, wohnte seit Mai 1903 ihre Tochter Bertha HEKAJLLO, getrennt von ihrem Ehemann, mit ihren beiden Kindern Olga und Wladimir-Felician.
Olga absolvierte die Lehrerinnenbildungsanstalt der Ursulinen, blieb wegen des Lehrerinnenzölibats ledig, war Volksschullehrerin in Landgemeinden und schließlich in der Landeshauptstadt.
Seit 1937 wohnte die Frau in der Elisabethvorstadt, Haunspergstraße 11, im Haus des Arztes Medizinalrat Dr. Matthias Deissl.

Anhand der Polizeimeldekartei lässt sich lediglich feststellen, dass Olga HEKAJLLO »amtlich abgemeldet« wurde, allerdings mit dem Vermerk: »während des Krieges im KZ gestorben«.

In welchem KZ die Frau zu Tode kam, konnte in den Gedenkstätten nicht ermittelt werden. Die Personensuche blieb selbst beim International Tracing Service in Bad Arolsen ergebnislos.
Es war folglich nur zu vermuten, dass Olga HEKAJLLO im Frauen-KZ Ravensbrück ermordet wurde. Dort hatte die SS alle Zeugnisse ihrer Verbrechen inklusive des Totenbuchs in den letzten Kriegstagen vernichtet.

Das Ende der in ein KZ verschleppten Frau bliebe für immer im Dunkeln, wäre sie nicht eine Cousine des prominenten Österreichers Dr. Kurt Schuschnigg, des Bundeskanzlers von 1934 bis 1938.
Dank der Memoiren seines Sohnes bekommt der Schicksalsverlauf der Olga HEKAJLLO Konturen: Sie hatte BBC London, also »Feindsender« gehört und über die Neuigkeiten mit ihrem Greißler gesprochen, belauscht von einem Dritten, der die Frau bei der Gestapo denunzierte.

Die 52-jährige Olga HEKAJLLO wurde verhaftet, aber nicht strafrechtlich verfolgt, sondern gleich ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert, wovon sie ihren Bruder benachrichtigte, datiert mit 24. Juli 1944.
Ihr Bruder erhielt außerdem von der KZ-Lagerverwaltung eine Urne und ein Dokument mit der offiziellen Todesursache »akute Pneumonie« und dem offiziellen Todesdatum »22. Juli 1944« (Kurt von Schuschnigg: When Hitler took Austria, San Francisco 2012, S. 136).

Jüngste Recherchen ergaben, dass die in den Memoiren des Kurt von Schuschnigg genannten Daten nicht mit jenen im Bericht der Gestapo Salzburg an den Reichsstatthalter Dr. Scheel übereinstimmen.

Im Gestapo-Bericht vom 20. November 1944 heißt es, dass Olga HEKAJLLO wegen ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus am 4. November 1944 in ein Konzentrationslager eingewiesen wurde (Zugang am 17. November 1944 im KZ Ravensbrück Nr. 84387).

Nachdem die Hekajllo im dringenden Verdachte des Abhörens von Auslandsendern steht, jedoch der Tat nicht einwandfrei überführt werden konnte, habe ich mit Rücksicht darauf, daß ihre bisherige politische Haltung nachgewiesenermaßen als gegnerisch bezeichnet werden kann, am 4.11.1944 die Genannte in ein Konzentrationslager eingewiesen.
Gegen die Hekajllo lief bereits im September 1940 eine staatspolizeiliche Untersuchung, da sie sich während eines Erholungsaufenthaltes um die erwähnte Zeit in Italien in äusserst gehässiger Weise über den Nationalsozialismus und die Verhältnisse im Reich ausdrückte. Sie wurde in der Folgezeit von hier aus überwacht wobei festgestellt werden konnte, daß sie in letzter Zeit einen auffallenden Umgang mit gegnerisch eingestellten Personen hielt.
Gestapo-Bericht 20.11.1944

Olga HEKAJLLO war eine widerständige Frau, katholisch sozialisiert. Das ist gewiss. Doch wer waren die Täter? Wer observierte und denunzierte Olga HEKAJLLO im Haus Haunspergstraße 11?

Aufschlussreich ist, dass die Gestapo am 12. September 1944 auch zwei Wohnungsnachbarn der Olga HEKAJLLO verhaftete: Mathilde und Wilhelm Lamminger, ein Ehepaar, ebenfalls Opfer einer Denunziation, das aber nicht ins KZ verschleppt, sondern vor Gericht gestellt und wegen »Feindsender«-Hörens und anderer Delikte verurteilt wurde.

Das Ehepaar erlebte die Befreiung im Mai 1945, konnte aber erst nach einiger Zeit in seine von der Gestapo ausgeräumte und besetzte Wohnung zurückkehren.

Anhand des Polizeimelderegisters lässt sich überdies feststellen, dass die aus politischen Gründen verfolgten Hausbewohner einen gefährlichen Nachbarn hatten, der während der nationalsozialistischen Herrschaft von 1938 bis 1945 im Haus Haunspergstraße 11 wohnte: der Gestapo-Beamte Alois Würzl, Kriminal-Sekretär und SS-Untersturmführer.

Gänzlich unbekannt war bislang, dass im Befreiungsjahr 1945 der im Camp Marcus W. Orr (Lager Glasenbach) internierte Georg König, ein berüchtigter Gestapo-Mann aus Salzburg, von einem U. S. Criminal Investigator des Counter Intelligence Corps (CIC) zum Fall Olga HEKAJLLO befragt werden konnte.

Georg König gab am 31. Juli 1945 zu Protokoll, dass Olga HEKAJLLO von ihrem Nachbarn, dem Gestapo-Beamten Alois Würzl, verhaftet worden sei.
Würzl habe sich außerdem die Wertgegenstände in der beschlagnahmten Wohnung »angeeignet« – sein Opfer beraubt. Georg König gestand lediglich, sich an der Hausdurchsuchung beteiligt zu haben.
Überlebende Opfer wie das Ehepaar Lamminger bezeugten hingegen, dass sie in den Verhören von Georg König misshandelt wurden und dass die ihnen dabei abgepressten Geständnisse vor Gericht als Beweise galten.

Verbürgt ist darüber hinaus, dass ein weiterer Gestapo-Beamter Nutznießer des Terrors war: Kriminal-Sekretär Rudolf Höfelsauer, der die ausgeraubte Wohnung der Olga HEKAJLLO in Beschlag nahm und bis zur Befreiung dort wohnte.
Die Gestapo hatte also ihre Beute unter sich aufgeteilt und obendrein dafür gesorgt, dass die im KZ Ravensbrück ermordete Olga HEKAJLLO keine Selbstzeugnisse über ihr Leiden hinterließ und dass ihr Bruder Wladimir-Felician, der weder aus politischen noch aus verwandtschaftlichen Gründen verfolgt worden war, über das gewaltsame Lebensende seiner Schwester im Ungewissen blieb.

Bemerkenswert ist noch, dass Olga HEKAJLLO zu den Terroropfern zählt, die weder in der 1991 publizierten Dokumentation Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945 noch in der elektronischen Opferdatei des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) aufscheinen.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Österreicherinnen in Ravensbrück (Opferdatenbank)
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 18.04.2013 in Salzburg, Haunspergstraße 11

<p>HIER WOHNTE<br />
OLGA HEKAJLLO<br />
JG. 1892<br />
IM WIDERSTAND<br />
DEPORTIERT JULI 1944<br />
RAVENSBRÜCK<br />
ERMORDET 22.7.1944</p>
Memorial für Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Foto: Stadtarchiv Rotes Kreuz Anfrage
Quelle: Arolsen Archives Foto: Gert Kerschbaumer

Alle Stolpersteine: Haunspergstraße 11