Arthur FÜRST, geboren am 25. Dezember 1883 in Salzburg, war das älteste von vier Kindern des jüdischen Ehepaares Elise (Esther), geborene Dick, und Rudolf FÜRST.

Arthurs Mutter stammt aus der schwäbischen Stadt Augsburg, sein Vater aus Eisenstadt (Kismarton), aus einer der sieben jüdischen Gemeinden im ungarisch-österreichischen Grenzsaum (seit 1921 Burgenland).

Arthurs Eltern betrieben einen Großhandel mit Kurz-, Wirk- und Galanteriewaren, zunächst am Mozartplatz, dann im Haus Linzer Gasse 5, wo die Familie auch wohnte. Das Haus war seit März 1892 Eigentum des Ehepaares Elise und Rudolf FÜRST (Grundbuch EZ 565).

Das familiäre Glück währte allerdings nicht lange, da Rudolf FÜRST 40-jährig im Dezember 1892 starb und das Geschäft von seiner jungen Witwe Elise mit ihren noch unmündigen vier Kindern weitergeführt werden musste.

Ihr jüngerer Sohn Joseph war 17 Jahre jung, als er 1901 in die USA auswanderte: Joseph »Joe« Fuerst, alsbald US-Bürger, der als travelling salesman (pipes and smokers articles) auch in Europa tätig war und Salzburg besuchte.

Die Brüder Arthur und Joseph hatten zwei Schwestern:

Martha, die ältere der beiden, war in Salzburg mit Josef Stein, einem Mitarbeiter des Hauses Linzer Gasse 5 verheiratet. Ihre Ehe blieb kinderlos.

Hedwig, die jüngste der Geschwister, war mit dem Zahntechniker David Bisentz aus Wien verheiratet. Ihr Sohn Rudolf, geboren am 13. August 1913 in Salzburg und hier aufgewachsen, führte den Vornamen seines verstorbenen Großvaters Rudolf FÜRST.

Im Mai 1922 starb die Witwe Elise FÜRST, die ihren Ehemann somit um nahezu drei Jahrzehnte überlebt hatte. Ihre Kinder Arthur, Martha und Hedwig erbten das Haus Linzer Gasse 5.

Am 23. Oktober 1923 heiratete Arthur FÜRST 39-jährig in der tschechischen Stadt Ostrava (vormals Mährisch Ostrau) eine 26-jährige Jüdin: Irene, geborene Grün, die nach Salzburg zog. Im Haus Linzer Gasse 5 kam ihr Nachwuchs zu Welt: am 14. November 1924 ihre Tochter Elise (benannt nach ihrer verstorbenen Großmutter Elise) und am 13. Dezember 1928 ihre Tochter Ilse (die sich später Elsie nannte).

Während der Weltwirtschaftskrise liefen auch die Geschäfte der Familie FÜRST schlecht. 1933 konnte ein Konkurs durch einen »Ausgleich« abgewendet werden. Außerdem führte Arthurs Frau Irene ein Detailgeschäft mit Lederwaren, Parfüms und Souvenirs im Parterre des Hauses. So schaffte die Familie den Weg aus der Krise.

Verbürgt ist ebenso, dass Arthur FÜRST – als Soldat im Ersten Weltkrieg mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet – in seiner jüdischen Gemeinde recht aktiv war: Mitglied des Kultusrates und Vorsitzender des Beerdigungsvereines Chewra Kadischa.

Beachtenswert ist überdies, dass die Familie FÜRST zu den rund 50 jüdischen Familien gehörte, die das Heimatrecht der Stadt Salzburg besaßen.

Das antisemitische Salzburg wusste jedoch seit den 1920er Jahren, wer Jude oder Jüdin war. Namen und Adressen stehen in den »Judenlisten«, die der seit 1922 in Salzburg agitierende »Antisemitenbund«, auf Boykott und Vertreibung aller Juden abzielend, in »arischen« Geschäften verbreiten ließ.

Der Judenhass eruptierte unter der nationalsozialistischen Herrschaft.

Arthur FÜRSTS verwitwete Schwester Martha, Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereines in Salzburg, wurde aus ihrer Wohnung delogiert. Die krebskranke Frau fand im Haus ihres Bruders Schutz und Pflege. Sie starb 52-jährig am 8. Juli 1938, beerdigt auf dem jüdischen Friedhof in Aigen bei Salzburg. Ihr Grabstein verschwand in den Terrorjahren.

Die jüdische Familie Ernst, Ida und Herbert LÖWY, die seit 1926 im dritten Stock des Hauses FÜRST wohnte, wurde im November 1938 aus Salzburg vertrieben. Ihr Tod in Auschwitz blieb in Salzburg jahrzehntelang unbemerkt.

Dokumentiert ist immerhin, dass ein Mob in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Salzburg die Synagoge und sieben Geschäfte verwüstete – lebensbedrohliche Angriffe auf Juden.

Ein Judenhasser, Franz Schider, Bewohner des Hauses Linzer Gasse 8, schoss mit einem Gewehr auf das ihm gegenüberliegende Haus der Familie FÜRST. Eine Kugel traf die Schaufensterscheibe im Parterre. Die Auslage wurde überdies geplündert. Ein beklemmendes Foto zeigt drei Passantinnen, die in eine Auslage mit halb geöffnetem Rollladen und Schussloch starren. Auf dem Foto ist auch der Name der Handelsfirma zu lesen, die 1883 gegründet und 1938 im Firmenbuch gelöscht wurde: »Rudolf Fürst«.

Arthur FÜRST, Inhaber der Firma »Rudolf Fürst«, zählte zu den am 10. November 1938 verhafteten Juden. Um die Vertreibung und Beraubung zu beschleunigen, ließ die Gestapo Salzburg nachweislich 26 Juden der Geburtsjahre 1883 bis 1914, darunter Arthur FÜRST, in das KZ Dachau deportieren (registrierter Zugang am 12. November 1938).

Die jüdischen KZ-Häftlinge mussten, um freigelassen zu werden, der »Arisierung« ihres Besitzes und der sofortigen »Auswanderung« zustimmen. Bekannt ist, dass Arthur FÜRST, KZ-Häftling Nr. 22923, am 20. Dezember 1938 nach Salzburg zurückkehren konnte.

Daraufhin mussten Arthur und Irene FÜRST und ihre aus der Schule entlassenen Töchter, die 10-jährige Ilse und 14-jährige Elise, ihre Koffer packen und nach Wien reisen – am 24. Dezember 1938, wie aus dem Polizeimelderegister der Stadt Salzburg hervorgeht.

Das Haus Linzer Gasse 5 wurde unverzüglich »arisiert«: ein Zwangsverkauf, im Grundbuch der Stadt Salzburg (EZ 565) bereits am 25. März 1939 eingetragen, und zwar in der österreichischen Amtssprache, die dem Unrecht unter dem nationalsozialistischen Regime einen legalen Anschein verlieh: »Eigentumsrecht für Josef Falkensteiner einverleibt«.
Damit war der Salzburger Kaufmann Josef Falkensteiner Herr des Hauses Linzer Gasse 5: fortan das Heim seiner Familie.

In Wien gelang es der in Salzburg beraubten Familie FÜRST, Schiffspassagen in die USA zu bekommen: Abreise von Bremerhaven am 23. Februar, Ankunft am 4. März 1939 in New York, begrüßt von Arthurs Bruder »Joe«, der nur Englisch zu sprechen pflegte.

Ihr neues Domizil hieß Charleston, eine Hafenstadt im US-Bundesstaat South Carolina. Dort unterzeichnete Arthur FÜRST am 6. Dezember 1939 für sich und seine Familie die »Declaration of Intention«, um die US-Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Anfänglich lebte die Familie – mit geringen Englischkenntnissen – in prekären Verhältnissen. Arthurs Ehefrau Irene musste als Köchin und Verkäuferin hart arbeiten, um sich und ihre Familie über Wasser zu halten. Schmerzlich war der Verlust des Ehemannes und Vaters nach Kriegsende: Arthur FÜRST starb 63-jährig am 27. Juli 1947 in Charleston.

Wir wissen nicht, ob er noch vor seinem Tod eine Nachricht von der Ermordung seiner Schwester Hedwig BISENTZ im KZ Theresienstadt erhielt. Hedwigs Sohn Rudolf, der die Shoah überlebte, wusste jedenfalls Bescheid, da er Erbansprüche erhob.

1949 stellten die Erben Irene FÜRST und Rudolf BISENTZ in den USA einen Antrag auf Rückstellung (Restitution) des Hauses Linzer Gasse 5 in Salzburg. Dokumentiert ist, dass die unter Zwang verkaufte Liegenschaft nicht restituiert wurde, die Ansprüche jedoch zum Teil in einem außergerichtlichen Vergleich finanziell abgegolten werden konnten.

Irene FÜRST starb 101-jährig am 25. September 1998 und hatte somit ihren Mann Arthur um fünf Jahrzehnte überlebt. Das Grab des Ehepaares befindet sich im Brith Sholom Beth Israel Cemetery.

Ihre mittlerweile ebenfalls verstorbenen Töchter Elizabeth (Elise) Kaplan und Elsie (Ilse) Horowitz haben fünf in den USA lebende Kinder: Bob und Ron, Sheryl, Burt und Arthur (Vorname des Großvaters Arthur FÜRST).

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinden Linz, Salzburg und Wien
  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg (Grundbuch EZ 565)
  • Widerstand und Verfolgung in Salzburg, Band 2, S. 454, 620 (eidesstattliche Erklärung von Arthur FÜRST am 30. 3. 1946)
  • Albert Lichtblau: »Arisierungen«, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg, Wien-München 2004, S. 164f.
  • Geduldet, geschmäht und vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Hg.: Daniela Ellmauer, Helga Embacher und Albert Lichtblau, Salzburg 1998, S. 53-70
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 27.09.2022 in Salzburg, Linzer Gasse 5

<p>HIER WOHNTE<br />
ARTHUR FÜRST<br />
JG. 1883<br />
HAUS ENTEIGNET<br />
FLUCHT 1939 USA</p>
Linzer Gasse 5: Geschäft der Familie Fürst. Schaufenster mit Schussloch am 9. November 1938
(Foto: Stadtarchiv Salzburg/Fotoarchiv Franz Krieger) Ansuchen Arthur Fürst um US-Staatsbürgerschaft – Declaration of Intention Grabstein des Ehepaares Arthur & Irene Fürst in Charleston/South Carolina

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