Berta »Biene« EISENBERG, geborene Nussenblatt, geboren am 5. Dezember 1884 in Stryj, einer Stadt im damaligen österreichischen Kronland Galizien, war ein Kind des jüdischen Ehepaares Scheindel, geborene Jäger, und Feiwel Nussenblatt.

Anfang des 20. Jahrhunderts zogen die Eltern und ihre Kinder Adolf, Berta, Sally (Sara Chana), Lina (Lea) und Heinrich (Hersch) von Galizien, dem im Osten liegenden Kronland der Monarchie Österreich-Ungarn in den Westen, in die Haupt- und Residenzstadt Wien.
Nach dem Zerfall der Monarchie Österreich-Ungarn im Jahr 1918 blieb die Familie Nussenblatt im kleinen Österreich. Der Vater starb hier 1931, die Mutter 1934, beide bestattet in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs (Tor IV, Grab 16b/3/7, 24).

Bertas älterer Bruder Adolf Nussenblatt war Gründer und Inhaber der Wäschefabrik Enka, die in Wien 7, Seidengasse 35 bis zum Gewaltjahr 1938 existierte. Bertas jüngerer Bruder Heinrich, der in derselben Branche wie seine Geschwister tätig war, wohnte mit seiner Frau Bertha, geborene Kohn, und ihren beiden in Wien geborenen Töchtern Renée und Denise ebenfalls im 7. Bezirk, Seidengasse 35.

Sally, die drittälteste der Geschwister Nussenblatt, ihr Ehemann Adolf Scheiner und ihre in Wien geborene Tochter Nellie wohnten im 9. Bezirk, Währingerstraße 22, und Lina, die viertälteste der in Stryj geborenen Geschwister Nussenblatt, ihr Ehemann Max Knoll und ihr in Wien geborener Sohn Paul wohnten im 7. Bezirk, Lindengasse 21.

Am 24. Februar 1907 heiratete Berta, die zweitälteste der Geschwister Nussenblatt, in der Wiener Synagoge Polnische Schul, 2. Bezirk, Leopoldsgasse 29, den Kaufmann Siegfried (Salomon) EISENBERG, geboren am 19. Juli 1880 in Suczawa, Bukowina, der schon seit 1902 in Salzburg lebte und hier im Haus Makartplatz 3 das Kaufhaus S. Eisenberg gegründet hatte.

Das Ehepaar hatte fünf Kinder, Nelly wurde am 22. Dezember 1907 in Wien und die jüngeren Kinder wurden in Salzburg geboren, Paula am 6. März 1909, Edith am 7. Oktober 1910, Walter am 29. Februar 1912 und Robert am 7. September 1919.
Die Familie EISENBERG, die nach österreichischem Recht in der Landeshauptstadt Salzburg heimatberechtigt war, wohnte seit der Geburt ihres jüngsten Kindes Robert im Stadtteil Elisabethvorstadt, Eckhaus Lessingstraße 6 / Rainerstraße 17, das im Eigentum des jüdischen Ehepaares Gottlieb und Hermine Winkler war.1

Der Familienvater Siegfried EISENBERG starb 43-jährig am 26. März 1924 in Wien. Er wurde in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs beigesetzt (Tor IV, Grab 4/31/43). Nach seinem frühen Tod führte die Witwe, die noch minderjährige Kinder hatte, in Salzburg das Kaufhaus S. Eisenberg in verkleinertem Umfang weiter, spezialisiert auf Damenmoden.
Mitte der 1930er Jahre, noch während der Weltwirtschaftskrise, von der besonders Jüdinnen und Juden wegen des virulenten Antisemitismus betroffen waren, verkaufte Berta EISENBERG ihr Geschäft am Makartplatz.

Außerdem waren ihre Kinder Nelly, Edith und Walter, die in Salzburg keine Zukunft für sich sahen, schon fortgezogen. Auch die Witwe und ihre Kinder Paula und Robert mussten schließlich Salzburg verlassen. Am 18. Oktober 1940 bekam Paula ein Kind, das Mädchen Leah.

Die 57-jährige Berta EISENBERG, ihre 32-jährige Tochter Paula und ihr einjähriges Kind Leah, die zuletzt gemeinsam in Wien 7, Kandlgasse 32/2/16 wohnten, zählten zu den österreichischen Jüdinnen und Juden, die am 3. Dezember 1941 mit dem ersten von insgesamt vier Transporten aus dem nationalsozialistischen Wien in das vom NS-Regime besetzte Lettland, Teil des »Reichskommissariats Ostland«, deportiert und im Wald von Bikernieki bei Riga – »Aktion Dünamünde« – ermordet wurden – im März 1942, wie ein Überlebender berichtete, der aus den für den Massenmord im Wald von Bikernieki ausgehobenen Gruben gekrochen war.

Für Berta, Paula und Leah EISENBERG, Opfer aus drei Generationen, finden wir in der Shoah-Datenbank Yad Vashem Gedenkblätter, die eine Überlebende der Familie, Berta EISENBERGs Tochter Edith verfasste.
Edith, die am 2. März 1930 in der Salzburger Synagoge geheiratet hatte, ihr Ehemann Gustav Reitmann2 aus Leoben und ihre Tochter Marion fanden ihr Domizil in Israel.

Marions Tochter Tamar Berta, die den Vornamen ihrer ermordeten Urgroßmutter trägt, informierte uns im August 2012, dass auch Berta EISENBERGs Tochter Nelly, ihr Ehemann Leopold Reitmann (Gustavs Bruder) und deren Sohn Siegfried (Shlomo) aus Leoben, Berta EISENBERGs Sohn Walter und seine Ehefrau Lotte Leitner aus Leoben sowie Berta EISENBERGs jüngster Sohn Robert die Shoah überleben konnten und mittlerweile in Israel verstorben sind.

Tamar Berta informierte uns außerdem über die Schicksalsverläufe der Geschwister ihrer Urgroßmutter Berta EISENBERG: deren älterer Bruder Adolf Nussenblatt, seine Frau Mina und ihr Neffe Paul Knoll konnten 1938 von Wien nach England flüchten.
Bertas jüngere Schwester Lina (Lea), geboren am 29. September 1893 in Stryj, und ihr Ehemann Max Chaim Knoll, die Eltern des in England überlebenden Paul, wurden im besetzten Belgien verhaftet und im Camp de Malines interniert, am 15. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die in Israel lebenden Verwandten konnten erst im Verlauf des Jahres 2012 über das Schicksal des jüngeren Bruders der Berta EISENBERG Gewissheit erlangen. Hersch (Heinrich) Nussenblatt3, geboren am 26. Juni 1895 in Stryj, wurde am 20. Februar 1943 in Lacaune, einem Flüchtlingsort in Südfrankreich von der SS verhaftet und in das Camp de Drancy bei Paris transferiert, am 4. März 1943 im Transport Nr. 50 nach Majdanek deportiert und ermordet.

Es gelang aber seiner Ehefrau und ihren beiden Töchtern, der Verfolgung zu entkommen und nach der Befreiung Frankreichs in die USA zu reisen. Sie lebten in Kalifornien.
Herschs Witwe Bertha starb 1969 in Los Angeles. Denise, die jüngere ihrer in Wien geborenen Töchter, starb 86-jährig im Mai 2012 in Burbank und Renée, die ältere Tochter, starb 91-jährig im September 2012 in Los Angeles.

Mit ihren Nachkommen in den USA konnte die in Israel lebende Urenkelin Berta EISENBERGs erst im Jahr 2012 Kontakte knüpfen. Tamar Berta erhielt die im Mai 2000 aufgezeichneten Erinnerungen der damals 80-jährigen Renée an ihre Fluchtwege in dem vom NS-Regime besetzten Frankreich. Renée erinnerte sich an das kurze Wiedersehen mit ihrer Cousine Nellie, die den Terror überstehen konnte.

Nellies Mutter Sally Scheiner, Berta EISENBERGs jüngere Schwester, geboren am 7. Jänner 1886 in Stryj, kam jedoch in einem »unbekannten Lager« zu Tode, wie in der Shoah-Datenbank Yad Vashem dokumentiert.

Unter den Shoah-Opfern sind somit vier der fünf Geschwister Nussenblatt, Berta »Biene«, Sally (Sara Chana), Lina (Lea) und Heinrich (Hersch) sowie Linas Ehemann Max Chaim Knoll.

Berta EISENBERG, ihre Tochter Paula und ihre kleine Leah bleiben im Gedächtnis der Stadt Salzburg.

Schlussworte von Tamar Berta Granit:

For the first time in 70 years Leah Eisenberg will have a memorial along with those of her mother Paula and grandmother Berta – members of three generations of a family who were wiped out together near Riga in March 1942.
The Dünamünde massacre was carried out by the Nazi German occupying forces in Latvia’s Bikernieki forest near Riga. Its objective was to kill the Jews who had recently been shipped to Latvia from Germany, Austria, Bohemia and Moravia. These murders are sometimes separated into the First Dünamünde Action, occurring on March 15, 1942, and the Second Dünamünde Action on March 26, 1942. About 1,900 people were killed in the first action and 1,840 in the second.

A neighbor of Berta was a good friend of the family who survived the massacre. After the war he located my grandmother Edith (one of Berta’s daughters) to inform her about their fate. He reported:
When Paula understood they were all going to be killed, she begged for Leah’s life. In response, the soldiers began to laugh and tore Leah from her mother’s arms. Some of them held Paula’s hands and face so she would not be able to look away or close her eyes while the others were slamming Leah on a stone, crushing her head and body. Berta was a short distance away from them. As she heard her daughter screaming, instinctively she started to run towards her.
Another group of soldiers who were standing nearby stopped her, took her to the edge of the previously dug mass grave and shot her. Afterwards, while laughing and very much enjoying the scene, Leah was thrown into the grave and shortly after, Paula was shot in the head and was thrown into the grave as well.

The stolperstein for Leah and the updating of this web page about Berta’s brothers‘ and sisters‘ fates would not have been possible without Mr. Gert Kerschbaumer who made it possible.
After a non-stop search in the Austrian archives, spending days and nights over a whole year to retrieve details, Mr. Gert Kerschbaumer managed to reunite family members and revive their »being« – the names and fates behind the numbers.

There are and can be no words to describe our family’s gratitude to the one and only Gert Kerschbaumer, as well as to Mrs. Doris Kerschbaumer, Mr. Mag. Eckstein Wien, Mr. Gunter Demnig, the Salzburg Stumbling Block Committee and to the city of Salzburg for their contribution to this amazing and human project.

We are all committed to deliver a clear message! All people are created equal, regardless of race, religion or sex.

Thank you very much.
Tamar Berta Granit
Israel

1 Die beiden Liegenschaften in Salzburg, Lessingstraße 6 (Rainerstraße 17) und Schlachthofgasse 19 (Rainerstraße 15) waren seit 1913 bzw. 1914 Eigentum des jüdischen Ehepaares Gottlieb und Hermine Winkler, seit 1922 im Eigentum der Witwe Hermine Winkler. Nach ihrem Tod im Jahr 1937 sollten die beiden Häuser ins Eigentum ihrer Erben übergehen: Ing. Hugo Winkler, Mensa academica judaica, Chewra Kaddischa und Israelitisches Blindeninstitut. Es erfolgte jedoch kein Eintrag im Grundbuch. Die beiden Häuser wurden 1939 enteignet (Lessingstraße 6: Liselotte Niedermüller-Zojer, Schlachthofgasse 19: Lorenz und Olga Deutschmann) und 1950 bis 1955 schrittweise an Hugo Winkler und an die Israelitische Kultusgemeinde Wien restituiert (Grundbuch Salzburg-Froschheim EZ 225 und EZ 228).

2 Gustav Reitmann: Jüdisches Volk, antworte! Notwendigkeiten, Wege und Ziele eines völkischen Zionismus, Wien 1937.

3 Hersch (Heinrich) Nussenblatt ist nicht identisch mit dem Herzl-Forscher »Tulo« Nussenblatt, wie in der Deutschen Biographie zu lesen ist. »Tulo«, eigentlich Naftali Nussenblatt, geboren am 4. März 1895 in Stryj, Sohn der Sara Taube Körner und des Israel Juda Nussenblatt, und seine Ehefrau Tamara Gutmann, die zuletzt in Wien 9, Seegasse 2 wohnten, wurden in einem unbekannten KZ ermordet.

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien und Salzburg
  • Stadt- und Landesarchiv Wien und Salzburg
  • Berta Eisenbergs Urenkelin Tamar Berta Granit in Israel
Autor: Gert Kerschbaumer
MP3

Stolperstein
verlegt am 07.07.2011 in Salzburg, Lessingstraße 6

<p>HIER WOHNTE<br />
BERTA EISENBERG<br />
GEB. NUSSENBLATT<br />
JG. 1884<br />
DEPORTIERT 3.12.1941<br />
RIGA<br />
ERMORDET</p>
Berta »Biene« Eisenberg Ronnie, Ur-Urenkelin Berta Eisenbergs, bei einem Besuch in Salzburg 2013 Tamar Berta Granit mit dem Foto ihrer Urgroßmutter Berta Eisenberg bei einem Besuch 2022

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