Josef BICHLER, am 18. November 1913 in der Salzburger Landgemeinde Bischofshofen geboren und katholisch getauft, war der ältere von zwei Söhnen des Ehepaares Pauline, geborene Bürgler, und Josef Bichler, Lokführer der österreichischen Bundesbahnen und aktives Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei.
Seit dem Ende der Monarchie lebte die Familie in Gnigl bei Salzburg. Ihr Sohn Josef absolvierte die Hauptschule und erlernte den Beruf Schlosser. Er war in sozialdemokratischen Jugend- und Sportvereinen sowie in ihrem Wehrverband aktiv – bis zur Zerschlagung der Arbeiterpartei durch das Dollfuß-Regime im Februar 1934.
In den Krisenjahren wollte Josef BICHLER Eisenbahner werden, musste aber zuerst seinen Pflichtdienst im österreichischen Heer ableisten. Sein Berufswunsch ließ sich allerdings unter den widrigen politischen Verhältnissen nicht realisieren. Er war eine Zeit lang Bierführer und wohnte bei seinen Eltern im Stadtteil Itzling, Kreuzstraße 19, in einem Gemeindebau – seine letzte in Salzburg registrierte Adresse unter dem nationalsozialistischen Regime.
Unbestritten ist, dass Josef BICHLER Antifaschist und Kriegsgegner war, obschon Recherchen bloß ein Datenskelett zum Vorschein bringen: Er war 26 Jahre alt, als er im Herbst 1939 zur deutschen Wehrmacht eingezogen und Ende August 1940 durch die Gestapo-Leitstelle Wien wegen »kommunistischer Betätigung« verhaftet wurde – Terror, der stereotyp begründet wird.
Am 2. April 1941, noch vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wurde der Wehrmachtsangehörige Josef BICHLER in Wien vom Reichskriegsgericht wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, wie aus dem Tagesrapport Nr. 12/41 der Gestapo-Leitstelle Wien über »Kommunistische Bewegung« ersichtlich.
Zunächst hatte Josef BICHLER als Strafgefangener in einem der berüchtigten Emsland-Moorlager – »Wir sind die Moorsoldaten« – Zwangsarbeit zu leisten. Daraufhin wurde er in das Wehrmachtsgefängnis Torgau verlegt, dann in das Truppenlager Wildflecken, um ihn als Strafsoldaten zu rekrutieren, der sich an einer Kriegsfront bewähren sollte.
Am 2. Juli 1942, rund ein Jahr nach dem Angriff auf die Sowjetunion, wurde Josef BICHLER im Strafbataillon 550 an die Ostfront kommandiert. Er desertierte nach wenigen Monaten, indem er zur Sowjet-Armee überlief. Der Strafsoldat war somit Kriegsgefangener.
Im Verlauf seiner Gefangenschaft im Lager Krasnogorsk bei Moskau nutzte er die Gelegenheit, an Lehrgängen der vom sowjetischen Militärgeheimdienst geleiteten Antifa-Frontschule »Lunjowo« teilzunehmen.
Sein darauffolgender Dienst für die Sowjetunion liegt hingegen im Dunkeln. Es bleibt ebenso ungeklärt, auf welche Weise er gegen Ende des Kriegsjahres 1944 im nationalsozialistischen Wien enttarnt werden konnte.
War er Spion? Sonstige Erklärungen sind weniger glaubwürdig.
Dokumentiert ist jedenfalls, dass Josef BICHLER ein weiteres Mal in die Fänge der Wiener Gestapo-Leitstelle am Morzinplatz geriet, dort nachweislich am 20. Dezember 1944 erkennungsdienstlich erfasst wurde, im Speziellen mit Fotos, die Josef BICHLER in Wehrmachtsuniform zeigen.
Weitere Lebensspuren hinterließ er nicht, was bedeutet, dass der 31-jährige Josef BICHLER seine Haft am Morzinplatz nicht überleben konnte: ein Gestapo-Opfer, dessen Tod bemerkenswerterweise an keinem Ort und zu keiner Zeit amtlich registriert wird – demnach verdeckter Terror und Mord.
Verbürgt ist immerhin, dass seine Eltern noch in den Kriegsjahren starben und sein jüngerer Bruder Fritz die Befreiung erlebte.
Welche Erinnerungsspuren Josef BICHLER im Familiengedächtnis hinterließ, ist aber unerforscht.
Quellen
- Archiv der der Erzdiözese Salzburg: Matrikenbücher
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg: Melderegister und Heimatmatrik
- Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Band 1, Wien 1991, S. 455f.
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Zl. 19049/55)
- Holocaust Memorial Museum: Gestapo-Leitstelle Wien (Tagesrapport Nr. 12 vom 28. – 29. Mai 1941: »Kommunistische Bewegung«)
Recherche: Esche Schörghofer
Stolperstein
verlegt am 09.09.2024 in Salzburg, Kreuzstrasse 19